Welche Erfahrungen gibt es mit Lotsen in der Arbeitswelt?

  • Der Integrationsfachdienst IFD ist aus meiner Sicht der Lotse schlechthin in unserem System. Ich wundere mich, dass er nicht erwähnt wird. Immerhin wirkt eine Fachkraft aus diesem Bereich mit. Bei den genannten Übergängen Schule-Beruf, Werkstatt-Budget für Arbeit, Vermittlung in Arbeit und betriebliche Wiedereingliederung ist der IFD oft der einzige Akteur für Menschen mit Behinderung, der entsprechend gut aufgestellt ist.

  • Der Integrationsfachdienst IFD ist aus meiner Sicht der Lotse schlechthin in unserem System. Ich wundere mich, dass er nicht erwähnt wird. Immerhin wirkt eine Fachkraft aus diesem Bereich mit. Bei den genannten Übergängen Schule-Beruf, Werkstatt-Budget für Arbeit, Vermittlung in Arbeit und betriebliche Wiedereingliederung ist der IFD oft der einzige Akteur für Menschen mit Behinderung, der entsprechend gut aufgestellt ist.

    Einwand: Das ist wohl nicht in jedem Bundesland eineitlich/vergleichbar geregelt. Hier vor Ort zB gehört der IFD zu einem Leistungserbringer . . . was jetzt nicht gerade "unparteiisch" ankommt. Gleichwohl war ich mal zu einem Beratungsgespräch vor Ort . . . 1. war das Sozialrecht auf eher unterem Niveau und 2. hielt man zB das BTHG für modernen Schnickschnack. Gut aufgestellt sind wohl eher passionierte Sozialrechtler_Innen . . . . die es leider nicht "im 100er-Abreißpack an jeder Ecke gibt". Die meisten RAe meiden wegen der grottigen Vergütung Sozialrecht (soweit es den "normalen" Betroffenen angeht) wie der Teufel das Weihwasser oder widmen sich im Tagesgeschäft den "klassischen Fehlern" im SGB II . . . sobald es um Teilhabeleistungen geht (weil es zb alleine schon wegen SV-Gutachten etc. komplexer wird) wird die Luft viel dünner . . .

  • Einwand: Das ist wohl nicht in jedem Bundesland eineitlich/vergleichbar geregelt. Hier vor Ort zB gehört der IFD zu einem Leistungserbringer . . . was jetzt nicht gerade "unparteiisch" ankommt. Gleichwohl war ich mal zu einem Beratungsgespräch vor Ort . . . 1. war das Sozialrecht auf eher unterem Niveau und 2. hielt man zB das BTHG für modernen Schnickschnack. Gut aufgestellt sind wohl eher passionierte Sozialrechtler_Innen . . . . die es leider nicht "im 100er-Abreißpack an jeder Ecke gibt". Die meisten RAe meiden wegen der grottigen Vergütung Sozialrecht (soweit es den "normalen" Betroffenen angeht) wie der Teufel das Weihwasser oder widmen sich im Tagesgeschäft den "klassischen Fehlern" im SGB II . . . sobald es um Teilhabeleistungen geht (weil es zb alleine schon wegen SV-Gutachten etc. komplexer wird) wird die Luft viel dünner . . .

    Die Regelungen in den Ländern sind nicht in jeder Hinsicht einheitlich - so sind die IFD z.B. in Hessen nicht in öffentlicher Trägerschaft. Genutzt werden die Strukturen freier Träger. Inwiefern diese zugleich "Leistungserbringer" sind lässt sich daraus nicht schließen. Zugleich sind die verschiedenen IFD sicher unterschiedlich aufgestellt und für ihre Aufgabenwahrnehmung gerüstet.

    Das "passionierte" SozialrechtlerInnen gut aufgestellt sind ist zu hoffen - auch da gibt es die eine oder andere "Überraschung". Richtig ist auch dass SozialrechtlerInnen mit Kenntnis im Teilhaberecht selten zu finden sind. Ob diese eine "Lotsenfunktion" wahrnehmen könnten kann ich mir hingegen kaum vorstellen. Vielleicht haben Sie dazu gute Ideen und Vorschläge?

    Zu den IFD: diese sind mir in der mehr als dreißigjährigen Arbeit in Psychiatrie und EGH-Verwaltung eher selten begegnet - offenbar also nicht für jeden Personenkreis ohne weiteres zugänglich und etabliert.

  • Ich glaube, das der Weg zum Ifd das Problem darstellt. Die Aufgabe des Lotsen sehe ich weit vorher:

    Von den Betroffenen Menschen aus betrachtet steht am Anfang der Verdacht einer (drohenden) Behinderung. Dieser Verdacht wird oftmals nicht von den Betroffenen selbst erahnt, sondern von Angehörigen oder Kontaktpersonen in Behörden oder Krankenhäusern. Ist die Einschränkung nicht offensichtlich, gibt es häufig einen undurchsichtigen Lebenslauf, der von verschiedensten Arten von Rückschlägen geprägt ist. Oft liegen verschiedene Diagnosen vor, die für sich alleine den Bedarf noch nicht manifestieren. In meiner Funktion als Lotsen im Jobcenter treffe ich u.a. auf Menschen, die bei sich keinen Bedarf nach weiterführender Unterstützung oder Diagnostik sehen. Für viele dieser Menschen scheint die Welt in der sie leben einfach nur nicht die passende zu sein und sie ergeben sich in ihr Schicksal. Besteht ein selbst festgestellter Bedarf geben die Betroffenen gerade bei psychischen Erkrankungen schon allein deswegen auf, weil sie keine Termine in der Diagnostik oder Therapie bekommen. Oft arbeiten wir mit den Menschen erst einmal die Sinnigkeit einer Diagnostik auf und suchen Netzwerkpartner.

  • In meiner Abteilung, dem Kompetenzzentrum für Vermittlung und Integration der BBW-Leipzig-Gruppe „lotsen“ wir bspw. durch die Ausbildung, unterstützen bei der beruflichen Orientierung und begleiten in Form vom Jobcoaching AP. So gibt es doch Leistungserbringer*innen, die neben dem IFD, Wegweiser für MmB sind.

    Dabei zeichnet sich unsere Arbeit dadurch aus, auch die Arbeitgeber*innen „mitzunehmen“. So werden wir ab 01.07., beauftragt durch das Integrationsamt, die EAA (Ansprechstelle für Arbeitgeber*innen) https://www.bih.de/integration…eitliche-ansprechstellen/ umsetzen. Der EAA wird auf jeden Fall eine Lotsenfunktion erfüllen. Gibt es zur Arbeit der EAAs in anderen Regionen Erfahrungswerte?

  • Der Integrationsfachdienst IFD ist aus meiner Sicht der Lotse schlechthin in unserem System. Ich wundere mich, dass er nicht erwähnt wird. Immerhin wirkt eine Fachkraft aus diesem Bereich mit. Bei den genannten Übergängen Schule-Beruf, Werkstatt-Budget für Arbeit, Vermittlung in Arbeit und betriebliche Wiedereingliederung ist der IFD oft der einzige Akteur für Menschen mit Behinderung, der entsprechend gut aufgestellt ist.


    Als Mitarbeiterin eines Integrationsfachdienstes stimme ich Ihnen hier gern zu. Wir haben die fachliche Expertise, die natürlich stets zu erweitern ist. Innerhalb des Netzwerkes initiieren wir Prozesse und begleiten sie. Wir zeigen dann auch Arbeitgeber*innen und Arbeitgebern die erforderlichen Wege auf. Denn die vielen kleinen Unternehmen ohne Personalabteilung, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung, die vielen Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz bieten, verfügen kaum über diese Kenntnisse.


    Die zahlreichen weiteren Akteure, die im Auftrag der Leistungsträger tätig sind, wirken ebenso engagiert an der Teilhabe von Menschen mit. Sie sind wichtige Lotsen in der Arbeitswelt. Optimalerweise existieren hier eine gute Kooperation und Zusammenarbeit, z.B. auch in den Bereichen der Unterstützten Beschäftigung, beim Budget für Arbeit und Budget für Ausbildung. Dafür braucht es jedoch Zeit für regelmäßige Gespräche zum Austausch und zur Festigung der verlässlichen Kooperation.


    Um neue Informationswege zu erschließen, sollte aus meiner Sicht der Social Media Kommunikation in Zukunft mehr Bedeutung beigemessen werden.

  •  

    Besteht ein selbst festgestellter Bedarf geben die Betroffenen gerade bei psychischen Erkrankungen schon allein deswegen auf, weil sie keine Termine in der Diagnostik oder Therapie bekommen. Oft arbeiten wir mit den Menschen erst einmal die Sinnigkeit einer Diagnostik auf und suchen Netzwerkpartner.

    Wobei ja der Paradigmenwechsel im SGB IX von ICD zu ICF auch noch in den Kinderschuhen zu stecken scheint . . . hier vor Ort merkt man es sehr deutlich. Man hat den Eindruck ICF ist was vom Mars oder so . . .

  • In meiner täglichen Arbeit investiere ich sehr viel Arbeit in den Ausbau meines regionalen und überregionalen Netzwerks, weil ich der Meinung bin, dass die Welt der Beruflichen Rehabilitation und Teilhabe viel zu komplex ist als das wir das alleine alles durchblicken können und dass es immer Mehrere braucht um Teilhabe zu ermöglichen. Und weil ich verstehen möchte und wissen will, wie die Anderen organisiert sind und wo ihre Kompetenzen liegen und auch um Transparenz zu schaffen, wie wir als Reha-Träger ticken. Dabei sind mir schon viele Menschen begegnet, die sich unter anderem auch als Lotsen für Menschen mit Behinderungen in diesem System verstehen. Manchmal waren es engagierte gesetzliche Betreuer/innen, Eltern, Familienhelfer, Fachkräfte des IFD, EUTB-Berater/innen, Rechtsanwälte, Sozialarbeiter/innen aus Einrichtungen, Arbeitgeber/innen, EAA, VdK, Ärzte/innen, Reha-Fachberater/innen von anderen Reha-Trägern oder Mitarbeiter/innen von Beratungsstellen, die sich als Lotsen verstehen, um Menschen mit Behinderungen zu unterstützen. Das ist gut und recht, führt aber an einigen Stellen zu Chaos und Missverständnissen, weil nicht alle die gleichen Informationen und Kenntnisse über rechtliche Aspekte haben und/oder die Kommunikation miteinander nicht funktioniert.

    Jeder dieser Lotsen hat seine Berechtigung, da jeder von ihnen einen anderen Blickwickel auf den Menschen mit Behinderung hat und jeder von ihnen nur das Beste für seinen Kunden/in, Patienten/in, Klienten/in, sein Kind oder Freund/in erreichen möchte. Problematisch wird es aus meiner Erfahrung dann, wenn diese Lotsen gegeneinander agieren oder nur ihre Wahrheit als die einzig wahre Wahrheit ansehen und nur sich als den einzig wahren Lotsen verstehen. Alle die im Beratungsgeschäft tätig sind werden verstehen, wie schwer es ist, wenn ein Beratungsgespräch bereits mit Vorbehalten startet und wie schwer es dann ist eine gute vertrauensvolle Beziehungsebene zu schaffen. Dann wird es schwer der jeweiligen Lotsenfunktion gerecht zu werden und gemeinsam das Teilhabeziel zu erreichen.

  • (...) Das ist gut und recht, führt aber an einigen Stellen zu Chaos und Missverständnissen, weil nicht alle die gleichen Informationen und Kenntnisse über rechtliche Aspekte haben und/oder die Kommunikation miteinander nicht funktioniert.

    Jeder dieser Lotsen hat seine Berechtigung, da jeder von ihnen einen anderen Blickwickel auf den Menschen mit Behinderung hat und jeder von ihnen nur das Beste für seinen Kunden/in, Patienten/in, Klienten/in, sein Kind oder Freund/in erreichen möchte. Problematisch wird es aus meiner Erfahrung dann, wenn diese Lotsen gegeneinander agieren oder nur ihre Wahrheit als die einzig wahre Wahrheit ansehen und nur sich als den einzig wahren Lotsen verstehen. Alle die im Beratungsgeschäft tätig sind werden verstehen, wie schwer es ist, wenn ein Beratungsgespräch bereits mit Vorbehalten startet und wie schwer es dann ist eine gute vertrauensvolle Beziehungsebene zu schaffen. Dann wird es schwer der jeweiligen Lotsenfunktion gerecht zu werden und gemeinsam das Teilhabeziel zu erreichen.

    Da steckt wohl eines der Kernprobleme. Hier fehlt ein gemeinsamer Rahmen oder Kommunikationsschnittstelle vor Ort.

  • Der Integrationsfachdienst IFD ist aus meiner Sicht der Lotse schlechthin in unserem System. Ich wundere mich, dass er nicht erwähnt wird. Immerhin wirkt eine Fachkraft aus diesem Bereich mit. Bei den genannten Übergängen Schule-Beruf, Werkstatt-Budget für Arbeit, Vermittlung in Arbeit und betriebliche Wiedereingliederung ist der IFD oft der einzige Akteur für Menschen mit Behinderung, der entsprechend gut aufgestellt ist.

    Vielen Dank Herr Becker, vom Grunde her sehe ich das genau so. Leider sind die IFDs bundesweit sehr unterschiedlich aufgestellt. Aus Bayern kann ich berichten, dass wir hier eine verlässliche IFD Struktur haben, die nahezu alle Aufgaben aus dem SGB IX auch anbietet und umsetzt. Die Lotsenfunktion ist hier zwar nicht explizit genannt, aber im alltäglichen tun regelhaft Inhalt der Arbeit ist und immer wieder die Frage auftauch "bin ich hier richtig?"," Wie geht es nun weiter?".

  • Wobei ja der Paradigmenwechsel im SGB IX von ICD zu ICF auch noch in den Kinderschuhen zu stecken scheint . . . hier vor Ort merkt man es sehr deutlich. Man hat den Eindruck ICF ist was vom Mars oder so . . .

    Einen Wechsel "von ICD zu ICF" war mit dem SGB IX nicht beabsichtigt - beide Klassifikationen sind Teil der "Familie der Klassifikationen" der WHO und ergänzen sich, wenn sie denn korrekt verstanden und angewendet werden. Verschiedene Organisationen/Anbieter arbeiten seit vielen Jahren mit großem Engagement an der Verbreitung der ICF. Ohne Zweifel ist das auf Dauer notwendig.

  • In meiner Abteilung, dem Kompetenzzentrum für Vermittlung und Integration der BBW-Leipzig-Gruppe „lotsen“ wir bspw. durch die Ausbildung, unterstützen bei der beruflichen Orientierung und begleiten in Form vom Jobcoaching AP. So gibt es doch Leistungserbringer*innen, die neben dem IFD, Wegweiser für MmB sind.

    Dabei zeichnet sich unsere Arbeit dadurch aus, auch die Arbeitgeber*innen „mitzunehmen“. So werden wir ab 01.07., beauftragt durch das Integrationsamt, die EAA (Ansprechstelle für Arbeitgeber*innen) https://www.bih.de/integration…eitliche-ansprechstellen/ umsetzen. Der EAA wird auf jeden Fall eine Lotsenfunktion erfüllen. Gibt es zur Arbeit der EAAs in anderen Regionen Erfahrungswerte?


    In Sachsen- Anhalt wurden die IFD´s beauftragt. Wir beraten und unterstützen im Einzelfall und informieren in Netzwerken. Informationsmaterialien stehen über die BIH zur Verfügung: https://www.bih.de/integration…eitliche-ansprechstellen/

  • In Sachsen- Anhalt wurden die IFD´s beauftragt. Wir beraten und unterstützen im Einzelfall und informieren in Netzwerken. Informationsmaterialien stehen über die BIH zur Verfügung: https://www.bih.de/integration…eitliche-ansprechstellen/

    Es wäre sehr zu wünschen, dass die EAA das Potential hat, zu einer deutlichen Erhöhung der Beschäftigungszahlen von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beizutragen. Zu begrüßen ist, dass die Ansprechstelle gut sichtbar mit einer eigenen Norm im SGB IX verankert wurde ( § 185 a SGB IX) und bereits ihr Name bei den Arbeitgebern Vertrauen auf eine kompetente Unterstützung hervorrufen dürfte.


    Wo sehen Sie besonderes Potential in der Beratung durch die am IFD angesiedelten EAA im Vergleich zu der bisherigen Beratung durch den IFD? Sind hier neben den durch die EAA verbesserten Ressourcen noch weitere Punkte von Bedeutung?


    Interessant finde ich den Gedanken des BMAS, eine bundeseinheitliche Regelung zur Weitergabe von Informationen über sog. Nullbeschäftigter von den Integrations-/Inklusionsämtern an die EAA zu prüfen.

  • Tatsächlich ist die Möglichkeit, Lotsen in Anspruch zu nehmen sehr untershciedlich. Es fehlen gesetzliche Rahmenbedingungen wie auch für verbindliche BEM-Gespräche. Das oberste Interesse bei Unterstützung durch Lotsen sollte die selbstständige Entscheidung am Ende von den Betroffenen bleiben. Dies ist leider nicht immer der Fall. Teils wird von allgemeinen Fällen übertragen, nach Teilzeitangeboten etc. ohne Einverständnis der Betroffenen gefragt und geht damit der individuelle Fall verloren. (Allgemeiner Behidnertenverband in Deutschland ABiD e.V.)

  • Es gibt im Hilfesystem unterschiedliche Lotsen.

    Hier sollte immer klar sein, für welche Zielgruppe der Lotse tatsächlich da ist.

    So halte ich es z.B. für die richtige Entscheidung in NRW die EAA Stellen- als Lotse für Arbeitgebende- unter anderem an die Kammern anzusiedeln, da sie so einen niederschwelligen unternehmensnahen Zugriff ermöglichen.

    Da es regionale Unterschiede gibt, sollte geschaut werden wer, an welcher Stelle, für die gedachte Zielgruppe den einfachsten Zugang ermöglicht.


    Unabhängig davon ist aber die regionale gute Vernetzung das A und O der Lotsen. Ohne die Kenntnis der regionalen konkreten Ansprechpersonen im Hilfesystem, aber auch der äusseren Rahmenbedingungen in der Region, kann die Beratung der Lotsen in die Irre führen, z. B. Bedarfe bei Unternehmen wecken, die regional nicht erfüllbar sind. Umgekehrt kann der gut vernetzte Lotse die konkreten Angebote der regionalen Leistungsträger und Erbringer passgenauer in die Unternehmen tragen.