- Welches Wahlverfahren gilt in meinem Betrieb/meiner Dienststelle?
- Wann ist das förmliche Wahlverfahren anzuwenden?
- Wer hat hier die Initiative zu ergreifen?
Es handelt sich um Impulsfragen des Teams.
Es handelt sich um Impulsfragen des Teams.
Zu 1 und 2:
Welches Wahlverfahren bei dir im Betrieb/Dienststelle Anwendung findet, hängt von diesen Faktoren ab:
Zwingend vereinfachtes Wahlverfahren:
•In Betrieben mit 5 bis 49 wahlberechtigten behinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmer/innen und
•sofern der Betrieb bzw. die Dienststelle nicht aus räumlich weit auseinander liegenden Teilen besteht
Zwingend förmliches Wahlverfahren:
•In Betrieben mit über 49 wahlberechtigten behinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmer/innen oder
•sofern der Betrieb bzw. die Dienststelle aus räumlich weit auseinander liegenden Teilen besteht
Zeitpunkt für die Beurteilung: Einleitung der Wahl
Zu 3:
Voraussetzung ist der Beschluss der Schwerbehindertenvertretung. Es wird ein dreiköpfiger Wahlvorstand zur SBV-Wahl bestellt. Diese Bestellung muss spätestens 8 Wochen vor Ablauf der Amtszeit der alten SBV erfolgen. Wegen der notwendigen Vorbereitungszeit sollte dies jedoch wesentlich früher geschehen. Ist in dem Betrieb oder der Dienststelle eine SBV nicht vorhanden, werden der Wahlvorstand und dessen Vorsitzende/r in einer Versammlung gewählt. Die Wahlversammlung wird vom Betriebsrat oder von 3 Wahlberechtigten oder dem Integrationsamt einberufen (§1 SchbVWO).
Das Recht des Integrationsamtes, zu einer solchen Versammlung einzuladen (§ 177 Abs. 6 Satz 4 SGB IX), bleibt unberührt.
Bestellung muss spätestens 8 Wochen vor Ablauf der Amtszeit der alten SBV erfolgen.
Was aber gilt, wenn die SBV diese Mindestfrist einmal versäumen sollte, etwa wegen Erkrankung, Unfall oder warum auch immer? Darf die SBV dann trotzdem noch den Wahlvorstand verspätet bestellen, z.B. sieben Wochen vor Ende ihrer Amtszeit? Oder muss dann der Wahlvorstand zwingend gewählt werden nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO, so wie das offenbar in der Wahlbroschüre, Seite 47, vertreten wird:
"Versäumt die Schwerbehindertenvertretung die Acht-Wochen-Frist zur Bestellung eines Wahlvorstandes, darf sie den Wahlvorstand NICHT MEHR BESTELLEN. Der Wahlvorstand ist in einer Versammlung der Wahlberechtigten mit der Mehrheit der anwesenden Wahlberechtigten zu wählen."
Diese Auslegung erscheint mir ziemlich problematisch, weil dadurch ja zwangsläufig noch mehr Zeit verloren geht bzw. größere Vertretungslücken entstehen könnten, die aber gerade vermieden werden sollen. Außerdem u.U. kostenträchtig bei weitläufigen Wahlbezirken! Gibts dazu Rechtsprechung? Wie ist das vergleichsweise bei BR-Wahlen, wenn der Betriebsrat mal die fristgerechte Bestellung des Wahlvorstands z.B. um einen oder wenige Tage verpassen sollte?
Ich stimme der Kritik von Wolfgang zu. Es ist misslich, wenn die SBV die 8-Wochen-Frist verpasst hat, aber solange sie im Amt ist, kann sie den Wahlvorstand bestellen. Es kann passieren, dass im Rahmen des förmlichen Wahlverfahrens, das durch längere Fristen gekennzeichnet ist, für wenige Tage eine sbv-lose Zeit eintritt, weil die Amtszeit der bisherigen SBV beendet ist und die neue SBV noch nicht gewählt ist, aber das ist das "geringere Übel", denn eine Wahl des Wahlvorstands durch die Wahlversammlung ist nach § 1 Abs. 2 der SchwbVWO erst möglich, wenn die Amtszeit der SBV abgelaufen ist. Auf diese Weise würde eine wesentlich längere Vakanz eintreten. Daher kann die SBV bis zum letzten Tag der Amtszeit einen Wahlvorstand bestellen (so auch Bolwig, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2018, S. 46).
Wir haben dieses FMA-Forum extra in den Juni gelegt, damit alle rechtzeitig auf die verschiedenen Fristen aufmerksam werden.
Danke für den wertvollen Hinweis. Damit ist für mich geklärt, dass die SBV auch nach Ablauf der Acht-Wochen-Frist kurzfristig ein Mitglied des Wahlvorstands nachbestellen könnte, wenn etwa ein Mitglied des Wahlvorstands sein Ehrenamt niederlegen oder plötzlich ausfallen sollte und kein Ersatzmitglied mehr verfügbar ist, so dass es nicht zu Verzögerungen oder gar Wahlabbruch kommt
Liebe Johanna M.,
vielen Dank für die schnelle Antwort. Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf die Rolle der Ersatzmitglieder des Wahlvorstands. Sie stehen zwar nicht in der Wahlordnung, aber alle Kommentare und Handbücher sind sich einig, dass Ersatzmitglieder bestellt werden können. Aus meiner Sicht sollten sie IMMER bestellt werden, denn Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sind real existierende Hinderungsgründe und es ist wichtig, dass ein Wahlvorstand jederzeit handlungsfähig ist.
In der Formularsammlung von Nils Bolwig sieht das Formular zur Bestellung des Wahlvorstands so aus, dass für jedes der drei Mitglieder ein Ersatzmitglied bestellt wird. Das ist ein Beschluss, den die Vertrauensperson rechtzeitig fassen soll. Natürlich ist es geboten, alle sechs Personen vorher zu fragen, ob sie bereit sind, das Amt anzunehmen. Wenn der Beschluss gefasst ist und die Mitglieder und Ersatzmitglieder das Amt angenommen haben, sind der Arbeitgeber sowie der Betriebs- oder Personalrat zu informieren.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) hat zahlreiche Formulare zu den SBV-Wahlen auf ihrer Webseite zusammengestellt:
ZitatBolwig: zu 3. Voraussetzung ist der Beschluss der Schwerbehindertenvertretung.
Wer kann und sollte die Initiative in einem Betrieb ergreifen, in dem es noch keine Schwerbehindertenvertretung gibt?
Impulsfrage des Teams
"Wer kann und sollte die Initiative in einem Betrieb ergreifen, in dem es noch keine SBV gibt?"
Ich denke, hier ist in erster Linie der örtliche Betriebsrat gefragt, auf die Wahl hinzuwirken. Denn dieser sollte zumindest das jährliche Verzeichnis der Namen sbM des Betriebs haben und auswerten nach § 163 Abs. 2 Satz 3 SGB IX. Das ist aber nicht unbedingt vollständig, etwa bezüglich Minijobber, Teilzeit unter 18 WoSt oder schlicht deshalb, weil nur so viele eingetragen sind, wie für die Mindestbeschäftigung nötig sind. Es zählen ggf. aber auch schwerbehinderte Ein-Euro-Jobber nach § 16d SGB II sowie schwerbehinderte Leiharbeiter. Leiharbeitnehmer zählen ggf. ab dem ersten Tag (im Unterschied zur BR-Wahl). Die Frage ist nur, ob der BR ggf. von deren Schwerbehinderrung ggf. was erfährt und ob der Verleiher das dem Entleiher zu melden hat. Ferner zählen ruhende Beschäftigungsverhältnisse wie Elternzeit und Erwerbsminderungsrente auf Zeit, was aber laut Rechtsprechung "gerne mal" übersehen wird. Ob und inwieweit auch "Betriebsintegrierte Arbeitsplätze" (ausgelagerte Arbeitsplätze aus WfbM) zählen, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Bei diesen Außenarbeitsplätzen geht es um eine Vielzahl von Einzel- und Gruppenarbeitsplätzen.
Sind es weniger als fünf, dann wäre, sofern vorhanden, z.B. die überörtliche GSBV gefordert zu klären, ob eine Zusammenfassung etwa mit einem wahlfähigen oder mit mehreren nicht wahlfähigen Betrieben in der Nähe möglich ist, ob also ggf. ein Wahlbetrieb mit mindestens fünf sbM gebildet werden kann. Der Gesetzgeber sieht das wohl als selbstverständlich an, da überörtliche Vertretungen nicht eigens in § 176 SGB IX erwähnt - nicht GSBV sowie nicht GBR.
Ich teile die Auffassung von Wolfgang, dass vorrangig der Betriebsrat bzw. Personalrat die Initiative zur Wahl einer SBV ergreifen sollte. Nach § 182 Abs. 1 SGB IX hat dieser auch in der Frage der SBV-Wahl eng mit dem Arbeitgeber und dessen Inklusionsbeauftragtem (m/w) zusammenzuarbeiten. Sollte es der Betrieb bzw. Arbeitgeber aber "nicht aus eigener Kraft" hinbekommen, die Wahl zu initiieren, dürfen sich Wahlberechtigte auch an das Integrationsamt wenden und dieses um Unterstützung bitten. Auf die diesbezüglichen Befugnisse des Integrationsamtes hat N. Bolwig (s.o.) bereits hingewiesen.