Beiträge von Rainer Lentz

    Der Trend geht weg von pauschalisierten Leistungen hin zu individueller Ausbildungsunterstützung. Das ist auch nötig: junge Menschen mit Behinderungen wollen ihre berufliche Zukunft zunehmend selbst bestimmen und legen immer häufiger Wert auf eine betriebsnahe Ausbildung. Für viele ist dieser Weg jedoch aufgrund der hohen betrieblichen Anforderungen oder der Schwere ihrer Behinderung oftmals nicht möglich. Für sie gibt es die Verzahnte Ausbildung mit Berufsbildungswerken (VAmB). In den BBW macht dieses Modell bereits ein Fünftel aller Ausbildungen aus, mit steigender Tendenz. Dabei werden bis zu 18 Monate der Ausbildung in Betrieben außerhalb des BBW absolviert und durch individuelle Unterstützungsleistungen seitens der BBW ergänzt. Dies ist für alle Beteiligten ein Gewinn: Die jungen Auszubildenden sammeln wertvolle betriebliche Erfahrungen und steigern ihre Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Die Unternehmen gewinnen motivierte, verlässliche Fachkräfte und steigern die Vielfalt ihrer Belegschaft. Für Jugendliche, die aufgrund der Schwere ihrer Beeinträchtigung keine verzahnte Ausbildung absolvieren können, bieten die Berufsbildungswerke Ausbildungen in über 200 Berufen an. Auch hierzu gehören in jedem Fall 26 Wochen Praktikum in einem Betrieb.

    Glaubt man dem BIBB-Expertenmonitor "Inklusive Berufsausbildung", dann hat sich in den Köpfen auf der Ebene der Einstellungen bereits einiges verändert. Was es heute vorallem braucht, sind wirksame und kontinuierliche Formen der Kooperation zwischen allen Ausbildungsbeteiligten und die dazu gehörigen Strukturen
    (siehe: www.bibb.de/dokumente/pdf/bericht_expertenmonitor_2013.pdf).


    Neben diesen strukturellen Aspekten wird m.E. künftig ein weiterer Perspektivwechsel immer bedeutsamer werden: weg von pauschalierten Leistungen (in Form von Maßnahmen) hin zu flexiblen Einzelfall-Leistungen, die sich stärker am individuellen Bedarf der Person ausrichten.


    Rainer Lentz
    Bundesarbeitsgemeinschaftder Berufsbildungswerke e.V., Berlin
    www.bagbbw.de

    BBW-Assistierte betriebliche Ausbildung – ein Zukunftsmodell


    Zur zukünftigen Gestaltung assistierter betrieblicher Ausbildungen für junge Menschen mit einer Behinderung sind berufliche Reha-Leistungen zukünftig noch stärker am individuellen Bedarf des Einzelnen, koordiniert durch ein qualifiziertes Reha-Management, auszurichten. Damit wird die Trennung zwischen ambulant, teilstationär und stationär immer mehr obsolet. Im Vordergrund stehen der junge Mensch und das, was er für seine Ausbildung und Qualifizierung benötigt. Berufsbildungswerke müssen ihre Leistungen auch in Betrieben realisieren können.


    Zur Gestaltung dieser mobilen Reha-Angebote bedarf es einer Änderung des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a SGB III: die Maßnahme darf nicht „in“ einer Einrichtung sondern muss „durch“ eine Einrichtung nach § 35 SGB IX unerlässlich sein.


    Neben der Verzahnten Ausbildung mit Berufsbildungswerken (VAmB), von der heute bereits 1300 Auszubildende aus Berufsbildungswerken (BBW) profitieren, realisierten BBW seit 1999 mit REGINE und MobiliS – Vorläufermodellen der seit 2012 ausgeschriebenen begleiteten betrieblichen Ausbildung (bbA) – spezielle Reha-Unterstützungsleistungen auch in Betrieben. Da es sich hierbei nach h.M. jedoch nicht um Maßnahmen „in“ einer besonderen Einrichtung nach § 117 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) SGB III i.V.m. § 35 SGB IX handele und § 35 Abs. 2 SGB IX lediglich „Teile der Ausbildung“ in Betriebe ermögliche, wurden REGINE und MobiliS aus dem Leistungsspektrum der BBW herausgenommen und in ausgeschriebene sonstige Reha-Maßnahmen nunmehr als bbA überführt. Seit 2010 steht jungen Menschen mit einem BBW-Unterstützungsbedarf diese Form der mobilen Rehabilitation in einer betrieblichen Ausbildung nicht mehr zur Verfügung.


    Darüber hinaus bedarf die Bundesagentur für Arbeit wieder der Möglichkeit, Betriebe durch ein Ausbildungsmanagement zu unterstützen. Nur so kann Inklusion gelingen. Entsprechende Modelle scheitern aktuell an den mangelnden Anspruchsgrundlagen im SGB III und den fehlenden Möglichkeiten der BA, neue zielführende Modelle zu erproben.


    Rainer Lentz
    Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke e.V., Berlin
    www.bagbbw.de

    Bei der Umsetzung von Inklusion folgen die Berufsbildungswerke (BBW) einem Inklusionsbegriff, der sich nicht alleine an erfolgreichen Abschlüssen oder Integrationsquoten messen lässt, sondern Chancen zur Teilhabe und Partizipation von jungen Menschen in allen Lebenslagen umfasst.


    Im Jahr 2013 wurden Berufsbildungsfachleute aus allen Bereichen (darunter auch Unternehmen, Kammern und Verbände einschl. Gewerkschaften und Arbeitgebern) zum Thema Inklusive Berufsausbildung befragt (BIBB-Expertenmonitor 2014). Erfreulich ist, dass die befragten Experten und Praktiker übereinstimmend Inklusion in einem weiten Sinne verstehen, d.h. nicht nur auf Menschen mit Behinderung bezogen, sondern dem Diversity-Ansatz folgend, relevant für alle Menschen mit Benachteiligungen.


    Durchaus verbreitet sind jedoch „Befürchtungen, dass Ausbildungsbetriebe und Berufsschulen mit inklusiver Berufsausbildung überfordert sein könnten. Insgesamt 60% bzw. 61% der Fachleute sehen dies so“ und sie setzen „für die inklusive Gestaltung der dualen Berufsausbildung überwiegend auf Qualitätsverbesserungen“. Die Bereitschaft, zur umfassenden Umsetzung von Inklusion auch „institutionelle Weiterentwicklungen“ ins Kalkül zu ziehen, ist bei den befragten Akteuren (noch?) gering.


    Die Perspektive der BBW auf Inklusion ist dagegen eine andere: Als langjährige, regionale Ausbildungsakteure sind BBW in vielfältiger Weise in die örtlichen Wirtschafts- und Sozialräume eingebunden und es werden zwischen den Akteuren konkrete, oftmals „nur“ kleine Schritte hin zu inklusiveren Formen der Ausbildung vereinbart, ohne gleich die „Systemfrage zu stellen“, denn es gibt heute neben den "klassischen" Formen der betrieblichen Ausbildung in einem Unternehmen und der außerbetrieblichen Ausbildung in einem BBW vielfältige, weitere Formen der kooperativen Ausbildung, welche die unterschiedlichen Lernorte und ihre Akteuren sinnvoll verzahnen. Hierzu ein "inklusives" Ausbildungsbeispiel der BBW:


    Die Realität von Arbeitsprozessen findet sich zu einem großen Teil auch in einem BBW wieder. Für die beabsichtigte Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt müssen sich die Auszubildenden jedoch zusätzlich mit den Anforderungen am Arbeitsplatz sowie den betrieblichen Strukturen und Abläufen auseinandersetzen. Daher wurde - mit wissenschaftlicher Begleitung - die Verzahnte Ausbildung mit Berufsbildungswerken (VamB) entwickelt. Mit VamB werden Teile einer Ausbildung vom BBW in einen Betrieb verlagert. Damit gewinnen die Auszubildenden Einblicke in betriebliche Abläufe und es werden ihnen Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Betriebspraxis vermittelt. Hierzu zählt insbesondere auch die Zusammenarbeit und Kommunikation in heterogen, altersgemischten Gruppen (Kollegen, interne und externe Kunden usw.). Dies führt zu einer Erhöhung der beruflichen und sozialen Handlungsfähigkeit und damit zu einer Verbesserung der Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt.


    Die Betriebe werden durch die Reha-pädagogische Fachkompetenz sowie durch eine backup-Betreuung während der gesamten betriebspraktischen Phasen durch ein BBW unterstützt. So ist, wenn es der Rehabilitationsprozess erfordert, jederzeit auch eine Rückkehr zum Ausbildungsort BBW möglich und die weitere Berufsausbildung kann dort fortgesetzt werden.


    Für teilnehmende Unternehmen fallen weder Ausbildungsvergütung noch Beiträge zur Sozialversicherung an und sie erhalten eine doppelte Anrechnung der Auszubildenden auf die Beschäftigungspflichtquote. Vorteile sehen die Betriebe aber vor allem bei der Personalrekrutierung: Mit VamB können sie frühzeitig die Ausbildung von motivierten Jugendlichen mitgestalten und diese später als Mitarbeiter übernehmen.


    Das Konzept ist mittlerweile ohne spezifische Beschränkungen bei der Behinderungsart zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit als Regelangebot der BBW etabliert. Aktuell werden über 1300 BBW-Auszubildende in mehr als 600 Betrieben des ersten Arbeitsmarktes verzahnt ausgebildet.Darüber hinaus setzen aber auch „harte“ Standortfaktoren der Entwicklung von Inklusion an manchen Orten infrastrukturelle Grenzen, wie beispielsweise die ländliche Lage eines BBW, wenig passende Betriebe in der Umgebung, eine unzureichende soziale Infrastruktur usw..


    Quelle: www.bibb.de/dokumente/pdf/bericht_expertenmonitor_2013.pdf


    Rainer Lentz
    Bundesarbeitsgemeinschaftder Berufsbildungswerke e.V., Berlin
    www.bagbbw.de

    Rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation (ReZA):
    Eine spezielle Weiterbildung für Ausbilder/innen zum Umgang mit Verschiedenheit


    Die Möglichkeiten der Ausbildung von Menschen mit Behinderung in Betrieben sind vielfältig. In Betracht kommt einer der zurzeit 331 anerkannten Ausbildungs­berufe oder ggf. eine Fachpraktiker-Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) und der Handwerks­ordnung (HwO). Ausbildungen als Fachpraktiker / in haben ihren Schwerpunkt in der Praxis und werden aus den Inhalten der anerkannten Ausbildungsberufe entwickelt. Sie richten sich an junge Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung – meist einer „Lernbehin­derung“ – (noch) keine anerkannte Ausbildung absol­vieren können, die also oft eher ihre Stärken im Bereich der Praxis als der Theorie haben.


    Speziell in Bezug auf die fachpraktische Ausbildung dieser Menschen mit einem Handicap müssen die Verantwortlichen in den Betrieben zur Sicherung der Qualität der Ausbildung und Inklusion der behinderten Auszubildenden über eine Rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation für Ausbilder (ReZA) verfügen. Hintergrund dieser Regelung bildet eine Empfehlung des Bundesinstituts für Berufliche Bildung, die gemeinsam mit Kammern und Sozialpartnern 2012 entwickelt wurde.


    Die Weiterbildung zum Erwerb der Zusatzqualifikation umfasst die Kompetenzfelder:

    • Reflexion betrieblicher Ausbildungspraxis
    • Pädagogische und didaktische Aspekte
    • Medizinische und diagnostische Aspekte
    • Psychologische Aspekte
    • System der beruflichen Rehabilitation
    • Recht
    • Arbeitswissenschaftliche und arbeitspädagogische Aspekte
    • Interdisziplinäre Projektarbeit / Praxistransfer

    und wird in Lehrgängen über 320 Stunden bundesweit in Tages- oder Abendform angeboten. Bereits vorhandene Vorkenntnisse können anerkannt werden; zuständig ist die örtliche Kammer.


    Inhaltliche Schwerpunkte der Weiterbildung bilden neben Lernbehinderung bzw. Lernstörung auch Verhaltensauffälligkeiten, psychische Behinderung so­wie die individuelle Begleitung des jungen Menschen mit Behinderung während der Ausbildung und bei einem möglichen Übergang in eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf.


    Weitere Informationen unter:
    www.talentplus.de/arbeitgeber/neueinstellung/auszubildende/keineErfahrungen/Sonderausbildung/index.html


    Rainer Lentz
    Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke e.V., Berlin
    http://www.bagbbw.de