Beiträge von W. Kohte

    Ich will auf die aktuelle Nachfrage von Büchermaus eingehen. Es geht aus meiner Sicht um diejenigen, die eine EU-Rente beantragen. Hier dauert die Bearbeitung oft sehr lang, weil mehrere Gutachten eingeholt werden. Das kann sich jetzt alles noch länger hinziehen. In der Zwischenzeit erhalten die meisten, die einen solchen Antrag stellen, Krankengeld oder Arbeitslosengeld 1. Beide Leistungen sind befristet. Nach Ablauf der Frist kann das Arbeitslosengeld 2 nach dem SGB II beantragt werden. Dieser Antrag ist durch den neuen § 67 SGB II deutlich erleichtert werden; hier müsste die Bearbeitung auch sehr viel zügiger erfolgen, weil fast nichts mehr zu prüfen ist.

    Halle Büchermaus,
    die Zeiten haben sich geändert. Für die nächsten 6 Monate gibt es Leistungen zum Lebensunterhalt nach der neuen Norm des § 67 SGB II (BGBl I 2020, S. 575 - im Netz unter http://www.bgbl.de) für fast alle ohne Vermögensprüfung. Es ist erforderlich beim Antrag zu erklären, dass man "kein erhebliches Vermögen" hat. Die Bundesagentur für Arbeit wendet die Vermögensgrenze des Wohngeldrechts an (Barvermögen von 60.000 Euro - das dürfte kaum ein Rentenantragsteller haben). Außerdem werden die tatsächlich gezahlten Miet- und Heizkosten "als angemessen" eingestuft. Es muss also nur nachgewiesen werden, dass diese Kosten gezahlt werden. Das löst nicht das Problem der "Bedarfsgemeinschaft", aber alle allein lebenden Antragsteller erhalten auf diese Weise für die nächsten 6 Monate pro Monat im Durchschnitt ca 1000 Euro. Das ist eine reale "Zwischenfinanzierung".
    Es ist ein Ärgernis, dass die Antragsbearbeitung bei EU-Renten in einigen Fällen sehr lange dauert, aber mit der Neufassung des SGB II, die jetzt schon gilt, ist erst einmal eine reale Zwischenfinanzierung vorhanden. In der Zeit kann mit anwaltlichem Rat geklärt werden, wie die Antragsbearbeitung beschleunigt werden kann.

    Ich stimme Schorsch zu, dass die SBV hier nach § 178 SGB IX aktiv werden kann - oft auch muss. Betriebliche Krisenstäbe können durch Vereinbarung zwischen den Betriebsparteien installiert werden. Bei einem Arbeitsschutzthema wie Corona ist das Leitbild der Arbeitsschutzausschuss (§ 11 ASiG), in dem wie an einem runden Tisch sachkundige Personen zusammen kommen und die diversen Aufgaben sortieren und Prioritäten setzen. Hier muss die SBV beteiligt werden - § 178 Abs. 4 SGB IX. Ein effektiver Krisenstab ist wie ein Unterausschuss des Arbeitsschutzausschusses für eine konkrete Krisensituation zu verstehen.
    Die Ausgangsfrage von Herrn Gallon dokumentiert Kommunikationsprobleme zwischen Personalrat/Betriebsrat und SBV, denn in der jetzigen Situation muss ein Arbeitgeber den Betriebs- oder Personalrat vielfältig beteiligen, weil viele Maßnahmen - von der Kurzarbeit bis zu den Hygieneregeln - der Mitbestimmung unterliegen. Das muss in einer Sitzung (vielleicht per Video) des Betriebs- oder Personalrats beraten werden. Zu jeder Sitzung ist die SBV einzuladen (§§ 32, 35 BetrVG - ebenso alle Personalvertretungsgesetze), so dass sie immer den aktuellen Diskussionsstand haben sollte und dann die Initiativen nach § 178 Abs. 1 SGB IX ergreifen kann, die Schorsch beschrieben hat.

    Hallo Joker,


    ich stimme dem Vorschlag von Wolfgang zu.
    Ich beschränke mich bei dieser Antwort jetzt auf die Herantziehung nach § 178 Absatz 1 S. 5 SGB IX. Bei 2000 schwerbehinderten Beschäftigten können mehr als 10 Stellvertreter zu "bestimmtenAufgaben" herangezogen werden. Das lässt sich zB so aufteilen, dass für GdB- und Gleichsteöllungsberatungen jeweils diejenige stellvertretende Person herangezogen wird, die in dieser Abteilung tätig ist. Bei so vielen Beschäftigten ist auch eine Bürokraft notwendig, die dann die Verteilung der vorher festgelegten Aufgaben organisiert. Alle haben auch einen einfachen Schulungsanspruch, zB zu GdB oder Gleichstellung.
    So lässt sich die Arbeit besser aufteilen. Die VP kann sich dann auf schwierige Umsetzungsverfahren konzentrieren; hier kann auch eine Abstimmjung mit dem Personalrat hilfreich sein.

    Veto-Recht - zweiter Weg!


    Ausführliche Veto-Rechte haben Betriebs- und Personalräte. Das ist auch sinnvoll. Da sie verpflichtet sind, die Inklusion behinderter Menschen und die Arbeit der SBV zu unterstützen, ist es auch geboten, dass sie diese Rechte zugunsten schwerbehinderter Menschen und der SBV einsetzen.

    In einem Betrieb in Rheinland-Pfalz wollte ein Arbeitgeber einen schwerbehinderten Beschäftigten versetzen, ohne die SBV zu beteiligen. Darauf hatte der Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG der Versetzung widersprochen. Sie durfte nicht durchgeführt werden - so auch das LAG Rheinland Pfalz - 05.10.2011 - 8 TaBV 9/11, Behindertenrecht 2012, 203. Wir haben diese Möglichkeiten eines kollegialen Vetos bereits damals bei reha-recht.de näher erläutert: Porsche Fachbeitrag B8-2012 (dazu auch Feldes/Kohte/Stevens-Bartol SGB IX, 4. Auflage 2018 § 178 Rn. 36). Wir werben dafür, dass sich SBV und BR/PR über die Chancen eines "kollegialen Vetos" verständigen.

    Ich stimme dieser Forderung im Grundsatz zu. Ich bin allerdings dafür, sie zu präzisieren. Ein zeitweiliges Veto-Recht besteht schon heute in § 178 Abs. S. 2 SGB IX. Ohne rechtzeitige Beteiligung der SBV ist die Durchführung einer Arbeitgebermaßnahme auszusetzen und die Beteiligung nachzuholen.
    Dieses Recht hat eine deutliche Schwäche: wenn die Maßnahme bereits durchgeführt ist und die SBV nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt hat, geht es ins Leere. Deshalb haben wir 2016 eine Unwirksamkeitsklausel gefordert, die für Kündigungen in § 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX ins Gesetz aufgenommen worden ist. Das reicht aber nicht; diese Unwirksamkeit muss erstreckt werden auf Versetzungen und Aufhebungsverträge (Kohte/Liebsch, reha-recht.de/Fachbeitrag B2-2018). Im Koalitionsvertrag ist 2017 eine "Stärkung der SBV" zugesagt worden. Eine solche Ergänzung von § 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX wäre eine reale Stärkung der SBV.

    Natürlich benötigen gehörlose Vertrauenspersonen für ihre SBV-Arbeit Gebärdendolmetscher oder andere Assistenzpersonen. Das ist in der Gerichtspraxis anerkannt - Bayerischer Verwaltungsgerichtshof 25.05.2012 - 12 ZB 11.152. Die Kosten trägt nicht das Inklusionsamt, sondern der Arbeitgeber - damals nach § 96 Abs. 8 SGB IX, jetzt nach § 179 Abs. 8 SGB IX. Wenn eine grundsätzliche Klärung zusammen mit der weiteren Interessenvertretung und/oder dem Inklusionsbeauftragten nicht gelingt, ist mit kompetenter anwaltlicher Beratung ein Beschlussverfahren am Arbeitsgericht geboten.

    Vielen Dank für die konkrete Beschreibung der Probleme mit der Stellvertretung. Mir sind aus verschiedenen Diskussionen vergleichbare Probleme in anderen Betrieben und Dienststellen bekannt. Auf der gesetzlichen Ebene gibt es keine Benachteiligung der SBV. In vergleichbarer Weise enthalten § 37 Abs. 2 BetrVG, § 46 Abs.2 BPersVG und § 179 Abs.4 S.1 SGB IX übereinstimmend die Regelung, dass Interessenvertreter, die nicht pauschal freigestellt sind, von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts befreit sind, wenn und soweit es zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. In der Kommentarliteratur heißt es dazu knapp und einfach, dass die erforderlichen Amtspflichten den Vertragspflichten vorgehen.


    Sie schreiben in Ihrem Beitrag, dass Sie häufig für die SBV im Einsatz sind und daneben „100 % originäre Tätigkeit ableisten (ohne Vertretung!)“.


    Wenn Sie SBV-Arbeit leisten (zB Teilnahme an Sitzungen, an BEM-Gesprächen, Beratungen und Sprechstunden), sind Sie damit gleichzeitig von ihren Vertragspflichten befreit. Dazu bedarf es keiner Genehmigung des Arbeitgebers; es reicht die einfache Information. Dann kann aber von Ihnen nicht mehr „100 %-originäre Tätigkeit“ verlangt werden.


    Ich zitiere dazu aus einem Beschluss des BAG vom 27.06.1990 – 7 ABR 43/89: „Die Freistellungspflicht des Arbeitgebers nach § 37 Abs.2 BetrVG erschöpft sich nicht darin, den Betriebsratsmitgliedern die zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderliche freie Zeit zu gewähren. Auch bei der Zuteilung des Arbeitspensums muss der Arbeitgeber, auf die Inanspruchnahme des Betriebsratsmitglieds durch die Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit angemessen Rücksicht nehmen.“


    InKommentaren zum Personalvertretungsrecht und zum SGB IX wird ebenso auf diese Entscheidung verwiesen. Das ist zutreffend, denn in § 179 Abs.3 SGB IX wird ausdrücklich hervorgehoben, dass Sie als Vertrauensperson eine Rechtsstellung haben, die mit derjenigen von Betriebsrats- und Personalratsmitgliedern gleichwertig ist. Die in Ihrer Dienststelle praktizierte Ungleichbehandlung ist daher nicht in Ordnung.


    Wir raten Ihnen, dieses Problem in einer der nächsten Sitzungen des Personalrats anzusprechen und dort auf die für alle gleiche Rechtslage hinzuweisen. Es müssen dann praktische Lösungen gesucht werden, wie Ihre „originäre Arbeit“ anders aufgeteilt wird. Wenn dies teilweise nicht möglich ist, dann muss eine Ihrer Stellvertreter an der Sitzung des Personalrats teilnehmen oder andere Ihrer Aufgaben übernehmen.


    Noch besser ist es, wenn mit vereinten Kräften für Sie eine Teilfreistellung vereinbart wird. Die Gerichte halten dies für eine sachgerechte Lösung, tun sich aber bisher schwer in gerichtlichen Beschlussverfahren, so dass hier erst einmal die Unterstützungspflicht von Betriebs- und Personalrat nach § 176 SGB IX einzufordern ist.

    Ich stimme Dr. Michael Karpf vollständig zu. In § 179 Abs. 4 S. 3 SGB IX ist dem ersten stellvertretenden Mitglied ein vollwertiger und gleichwertiger Schulungsanspruch zugebilligt worden. Dies ist kein Schulungsanspruch "zweiter Klasse". Gerade für eine Basisfortbildung zum SGB IX benötigen alle hinreichend Zeit.
    Zur Rechtsdurchsetzung gelten auch weiter die Erläuterungen von Stefanie Porsche in unserem Forum in B 9/2010. https://www.reha-recht.de/fach…ussionsbeitrag-09-2010-1/

    Rolf Milting hatte noch die Frage nach der Situation von Vertrauenspersonen mit befristetem Arbeitsvertrag gestellt. Das ist natürlich eine schwierige Situation, weil mit einer Nichtverlängerung des Arbeitsvertrags gerechnet werden muss und dann der erste Stellvertreter nachrückt. Daher ist es wichtig, dass der erste Stellvertreter von Anfang an in die Diskussionen einbezogen wird und seinen Schulungsanspruch nutzt.
    In einer Reihe von Betrieben wird die Mehrzahl der befristet Beschäftigten nach Fristablauf übernommen. Wenn in einem solchen Betrieb die Vertrauensperson nicht übernommen wird, kann in der Nichtübernahme eine unzulässige Benachteiligung wegen der SBV-Arbeit (§ 179 Abs. 2 SGB IX) liegen. Das Bundesarbeitsgericht hat dies für Betriebsratsmitglieder für die parallele Vorschrift des § 78 S. 2 BetrVG entschieden (BAG 25.6.2014 - 7 AZR 847/12; Fitting BetrVG § 78 Rn. 19). Rechtsfolge dieses verbotenen Verhaltens ist ein Anspruch auf Fortsetzung der Beschäftigung in einem weiteren, ggfalls unbefristeten Arbeitsvertrag (dazu Kohte, Der Fortsetzungsanspruch, in: Festschrift für Wank, 2014, S. 245 ff).

    Es gibt noch viele "weiße Flecken" auf der Landkarte möglicher Schwerbehindertenvertretungen. Hier liegt zunächst eine Aufgabe der Betriebs- und Personalräte, die nach § 176 S. 2 SGB IX auf die Wahl von Schwerbehindertenvertretungen hinzuwirken haben. Sie können zu diesem Zweck in der allgemeinen Betriebs- oder Personalversammlung im dritten Quartal für die Wahl einer SBV werben. Wenn sie damit auf Resonanz stoßen, können sie dann im vereinfachten Wahlverfahren nach § 19 Abs. 2 SchwbVWO zur Schwerbehinderten-Wahlversammlung einladen. Wir würden es sehr begrüßen, wenn dieser rechtlich und politisch eindeutige Zusammenhang auch als regelmäßiges Thema bei den Schulungen von Betriebs- und Personalräten aufgenommen wird.
    Ein anderer möglicher Akteur ist die Gesamtschwerbehindertenvertretung (GSBV). Es gibt einige größere Unternehmen, in denen zwar eine GSBV besteht, weil in einigen Betrieben eine SBV gewählt worden ist, aber in anderen Betrieben eine SBV fehlt. Hier kann die GSBV nach §§ 180 Abs. 6, 178 Abs. 6 SGB IX zu einer Schwerbehindertenversammlung in dem sbv-losen Betrieb einladen, in der über die Rechte einer SBV informiert und für eine solche Wahl geworben wird. Wenn sie damit auf Resonanz stößt, kann wiederum nach § 19 SchwbVWO zu einer Wahlversammlung eingeladen werden.
    In der Praxis funktionieren diese Möglichkeiten am besten, wenn BR/PR und GSBV oder KSBV im Vorfeld einer solchen Versammlung zusammenarbeiten. Oft gibt es betriebsnahe Themen (vom Personalabbau bis zum Arbeitsschutz), die so anschaulich sind, dass die Bedeutung der Wahl einer SBV "auf der Hand liegt".

    Eine wichtiges Element der Stärkung der SBV durch das BTHG ist die Aufwertung der Rolle der Stellvertreter. Das mit der höchsten Zahl der Stimmen gewählte stevertretende Mitglied hat durch § 179 Abs. 4 S. 4 SGB IX einen vollwertigen Schulungsanspruch; in § 179 Abs. 8 ist die Pflicht zur Kostentragung durch den Arbeitgeber ausdrücklich auch auf diese Schulungen erstreckt worden. Dies entspricht den hohen Anforderungen an die Arbeit der SBV, die auch im Urlaub der Vertrauensperson nicht geringer sind. An einzelnen Fortbildungen, die ich in letzter Zeit durchgeführt habe, haben jetzt auch stellvertretende Mitglieder teilgenommen, aber hier ist noch viel "Luft nach oben". Auch die Anbieter von SBV-Schulungen sollten auf die Aufwertung des ersten stellvertretenden Mitglieds in ihrer Werbung hinweisen.
    Weiter ist es wichtig, bei der nächsten SBV-Wahl auch die Stellvertreterwahl gut vorzubereiten. Im förmlichen Wahlverfahren hat der Wahlvorstand die Schlüsselrolle: nach § 2 Abs. 4 SchwbVWO beschließt er die Zahl der zu wählenden Stellvertreter. Dazu hört er die SBV, den Betriebs- oder Personalrat und den Arbeitgeber an; diese haben kein Vetorecht, am Ende entscheidet der Wahlvorstand autonom. Es wird empfohlen, dass in Betrieben mit förmlichem Wahlverfahren wenigstens 3 stelvertretende Mitglieder zu wählen sind, damit die SBV zu jedem Zeitpunkt handlungsfähig ist. Diese Beratung und Beschlussfassung muss erfolgen, bevor das Wahlausschreiben erlassen wird.

    Ich stimme Matthias zu, dass sich diese Probleme in der Regel nur im vereinfachten Wahlverfahren stellen, wenn noch keine SBV gewählt ist. Im förmlichen Wahlverfahren gibt es einen Wahlvostand, der nach § 2 Abs. 6 der SchwbVWO gegen nden Arbeitgeber einen Auskunftsanspruch hat, der sich vor allem auf die Anfertigung der Liste der Wahlberechtigten bezieht.
    Wenn es im vereinfachten Wahlverfahren bereits eine SBV gibt, hat diese durch die letzte Wahl einen gewissen Überblick. Außerdem ist der SBV jedes Jahr vom Arbeitgeber eine Kopie des Verzeichnisses der diesem bekannten beschäftigten Schwerbehinderten zu übermitteln.
    Wenn es noch keine SBV gibt, nimmt der Betriebs- oder Personalrat eine Schlüsselrolle ein. Er kann zur Wahlversammlung einladen nach § 19 Abs. 2 SchwbVWO und soll davon Gebrauch machen (§ 176 S. 2 SGB IX). Dem Betriebsrat bzw. Personalrat ist aber vom Arbeitgeber nach § 163 Abs. 2 S. 3 SGB IX einmal im Jahreine Kopie des Verzeichnisses der beschäftigten Schwerbehinderten zu übermitteln. Damit gibt es rechtlich hinreichend gesicherte Informationswege.

    Vertrauensperson und Stellvertreter werden zwar in "getrennten Wahlgängen", aber im förmlichen Wahlverfahren zeitgleich gewählt. Auf dem Stimmzettel werden in alphabetischer Reihenfolge zuerst die Kandidatinnen und Kandidaten für die Vertrauensperson und danach - sichtbar getrennt - wiederum in alphabetischer Reihenfolge die Kandidatinnen und Kandidaten für dkie Stellvertreter aufgeführt (§ 9 Abs.2 SchwbVWO). In der Regel werden mehrere Stellvertreter gewählt und daher muss auf dem Stimmzettel aufgeführt werden, we viele Stellvertreter zu wählen sind. So viele Stimmen hat jede/r Wahlberechtigte bei der Stellvertreterwahl (§ 9 Abs. SchwbVWO).
    Beim vereinfachten Wahlverfahren werden die beiden Wahlgänge nacheinander durchgeführt (§ 20 Abs. 2 SchwbVWO).

    Liebe Johanna M.,
    vielen Dank für die schnelle Antwort. Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf die Rolle der Ersatzmitglieder des Wahlvorstands. Sie stehen zwar nicht in der Wahlordnung, aber alle Kommentare und Handbücher sind sich einig, dass Ersatzmitglieder bestellt werden können. Aus meiner Sicht sollten sie IMMER bestellt werden, denn Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sind real existierende Hinderungsgründe und es ist wichtig, dass ein Wahlvorstand jederzeit handlungsfähig ist.
    In der Formularsammlung von Nils Bolwig sieht das Formular zur Bestellung des Wahlvorstands so aus, dass für jedes der drei Mitglieder ein Ersatzmitglied bestellt wird. Das ist ein Beschluss, den die Vertrauensperson rechtzeitig fassen soll. Natürlich ist es geboten, alle sechs Personen vorher zu fragen, ob sie bereit sind, das Amt anzunehmen. Wenn der Beschluss gefasst ist und die Mitglieder und Ersatzmitglieder das Amt angenommen haben, sind der Arbeitgeber sowie der Betriebs- oder Personalrat zu informieren.

    Ich habe bewusst in meinem letzten Beitrag geschrieben, dass die Zusammenfassung mir "einem" größeren Betrieb möglich ist. In einigen Kommentaren steht das anders, aber nicht in dem viel zitierten Beschluss des BVerwG vom 8.12.1999 - 6 P 11/98:
    "Da der Gesetzgeber durch die Möglichkeit der Zusammenfassung erreichen will, daß möglichst weitgehend örtliche Schwerbehindertenvertretungen gebildet werden, ist nicht zu verlangen, daß die andere Dienststelle, mit der die Zusammenfassung erfolgt, ebenfalls die Mindestvoraussetzungen für die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung nicht erfüllt "


    Dort geht es um eine "andere" Dienststelle, die größer ist. Wenn dagegen die Zusammenfassung mehrer "größerer" Dienststellen ermöglicht wird, wird der auch vom BVerwG hoch gehaltene Grundsatz der "weitgezhend örtlichen Schwerbehindertenvertretung" mißachtet. Außerdem ist die Zusammenfassung, bei der Arbeitgeber über die wichtige Frage des Wahlbezirks entscheidet, eine Ausnahme im Wahlrecht der Interessenvertretungen, bei der die Beschäftigten die maßgebliche Instanz sind.
    JUnabhängig von der Frage der Zusammenfassung ist es wichtig, dass im Vorfeld der SBV-Wahlen gerade von Betriebsräten und Personalräten geklärt wird, wo noch "weiße Flecken" ohne SBV bestehen, damit von der Einladung nach § 19 Abs. 2 SchwbVWO Gebrauch gemacht werden kann.

    Die Frage von Wolfgang spricht ein wichtiges Thema vor allem für kleinere Betriebe an. Betriebe mit weniger als 5 Wahlberechtigten können zusammengefasst werden, auch mit einem räumlich nahen größeren Betrieb, so dass auf diese Weise eine SBV-Wahl ermöglicht wird. Über diese Zusammenfassung entscheidet - das ist ein Ausnahmefall im Wahlrecht der Interessenvertretungen - der Arbeitgeber. Erst wenn diese Entscheidung vorliegt, kann die Wahl eingeleitet werden. Das wird dann regelmäßig eine Wahl im vereinfachten Wahlverfahren sein. Das Recht zur Einladung ergibt sich dann - wie Wolfgang geschrieben hat - aus § 19 Abs. 2 SchwVWO, denn in diesem "zusammengefassten Betrieb" gibt es ja noch keine SBV. Da es im BetrVG eine solche Zusammenfassung nicht gibt, kann der "zusammengefasste Betrieb" mehrere Betriebsräte haben. Hier hat jeder Betriebsrat das Einladungsrecht, denn die Regeln der Zusammenfassung sollen die SBV-Wahl erleichtern und nicht erschweren.
    Ich stimme dem Hinweis von Nils Bolwig auf § 3 BetrVG völlig zu. Wir haben seit 2001 im BetrVG Regeln zur Bildung geeigneter "Wahlbezirke", die nicht einseitig vom Arbeitgeber entschieden werden. Das passt besser zum Wahlrecht der Interessenvertretungen. Wenn eine solche Vereinbarung nach § 3 BetrVG besteht, gilt sie auch für die SBV-Wahl und geht den Regeln der "Zusammenfassung" vor.

    Im förmlichen Wahlverfahren wird der Wahlvorstand von der bisherigen SBV bestellt. Dies soll spätestens 8 Wochen vor Ende der Amtszeit erfolgen. Es ist besser, wenn die bestellung etwas früher erfolgt und ein zeitlicher Puffer besteht. Der Wahlvorstand besteht aus drei Mitgliedern. Sie müssen volljährig sein und zu den im Betrieb Beschäftigten gehören (§ 1 Absatz 1 SchbVWO). Die Mitglieder des Wahlvorstands müssen daher selbst nicht schwerbehindert sein. Wenn noch große Unsicherheiten bestehen, wird oft auch ein Mitglied des Betriebsrats oder des Personalrats zum Mitglied des Wahlvorstasnds bestellt. Es hat sich bewährt, dass auch ein oder zwei Ersatzmitglieder bestellt werden, damit der Wahlvorstand auch bei Krankheit oder Urlaub kurzfristig handlungsfähig ist.
    Die SBV legt fest, wer den Vorsitz im Wahlvorstand hat.

    Die Auskunft des Wahlvorstands ist zutreffend. Bei der SBV-Wahl gibt es zwei unterschiedliche Wahlgänge, die allerdings am selben Tag stattfinden: die Wahl zur Vertrauensperson und die Wahl zu den Stellvertretern (meistens sind mehrere Stellvertreter zu wählen). Jede Person kann bei beiden Wahlgängen kandidieren (§ 6 I 4 WO), denn bei demokratischen Wahlen ist offen, wer am Ende die einzige gewählte Vertrauensperson ist. In der Praxis ist es so, dass immer einige Beschäftigte nur für die Stellvertretung kandidieren, weil ihnen die Last zu groß ist oder weil sie es gut finden, wenn die bisherige Vertrauensperson wieder gewählt wird. Trotzdem sollen diese Personen von der Mitwirkung an der SBV nicht ausgeschlossen werden. Deshalb haben sie das Recht, nur für die Stellvertreterwahl zu kandidieren. Das passt auch zum neuen SBV-Recht, in dem die Stellung und der Schulungsanspruch der Stellvertreter gestärkt worden ist.
    In der Praxis ist es richtig, dass zwei Einverständniserklärungen eingereicht werden, denn es gibt unterschiedliche Wahlvorschläge für Vertrauensperson und Stellvertreter; bei beiden ist im förmlichen Verfahren die Zustimmungserklärung beizufügen ( § 6 II 3 WO).

    Ich stimme der Kritik von Wolfgang zu. Es ist misslich, wenn die SBV die 8-Wochen-Frist verpasst hat, aber solange sie im Amt ist, kann sie den Wahlvorstand bestellen. Es kann passieren, dass im Rahmen des förmlichen Wahlverfahrens, das durch längere Fristen gekennzeichnet ist, für wenige Tage eine sbv-lose Zeit eintritt, weil die Amtszeit der bisherigen SBV beendet ist und die neue SBV noch nicht gewählt ist, aber das ist das "geringere Übel", denn eine Wahl des Wahlvorstands durch die Wahlversammlung ist nach § 1 Abs. 2 der SchwbVWO erst möglich, wenn die Amtszeit der SBV abgelaufen ist. Auf diese Weise würde eine wesentlich längere Vakanz eintreten. Daher kann die SBV bis zum letzten Tag der Amtszeit einen Wahlvorstand bestellen (so auch Bolwig, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2018, S. 46).
    Wir haben dieses FMA-Forum extra in den Juni gelegt, damit alle rechtzeitig auf die verschiedenen Fristen aufmerksam werden.

    Das Intranet ist eine wichtige Hilfe für sehbehinderte Menschen und ist daher auch für eine barrierefreie Wahl zu nutzen. In der Wahlordnung für die Betriebsratswahl ist in § 3 Absatz 4 S. 2 geregelt, dass eine ergänzende Veröffentlichung des Wahlausschreibens im Intranet möglich ist. Wir haben diese Möglichkeit, die auch in der juristischen Fachdiskussion aufgegriffen wird, ausführlich erläutert im Fachbeitrag B6-2016 im Reha-Recht-Forum. Dagegen ist die Veröffentlichung der Wählerliste im Intranet problematisch, weil sie allen Beschäftigten im Betrieb den Zugang zur Information über die Behinderung verschafft. Das haben wir in unserem Beitrag nicht vorgeschlagen.

    Die Frist von 3 Tagen für die rückwirkende AU-Bescheinigung betrifft ausschließlich den Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Gerade bei depressiven Schüben kommt es nicht selten vor, dass Betroffene sich nicht melden. Nach mehr als 3 Tagen wird dann nicht selten eine verhaltensbedingte Kündigung wegen unentschuldigten Fehlens eingeleitet. Dazu müssen der Betriebsrat nach § 102 BetrVG, der Personalrat nach § 79 BPersVG und die SBV nach § 95 SGB IX unter Angabe der Gründe angehört werden. Dadurch erfahren die Interessenvertretungen, dass der Arbeitgeber - gut nachvollziehbar - von unentschuldigtem Fehlen ausgeht. Wenn aber Arbeitsunfähigkeit vorliegt, ist das Fehlen nicht unentschuldigt. Die Pflichtverletzung bezieht sich dann allein auf die fehlende Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, das ist in der Regel kein ausreichender Kündigungsgrund. Es ist Sache der Interessenvertretung, innerhalb der Anhörungsfrist mit dem Beschäftigten/seinen Eltern/Familienangehörigen sofort Kontakt aufzunehmen, in einem solchen Fall ist es möglich, dass ärztlich bescheinigt wird, wie lange die Arbeitsunfähigkeit besteht. Dann ist es dringlich, dass die Interessenvertretung den Arbeitgeber informiert, bevor eine Kündigung ausgesprochen ist.


    Natürlich ist es besser, wenn die 3 Tagesfrist des Entgeltfortzahlungsgesetzes eingehalten wird, aber danach ist noch nicht alles verloren, wenn die Beteiligten zügig reagieren.

    Diese interessante und wichtige Frage betrifft Grundelemente des heutigen Arbeitsrechts. Jede Arbeitspflicht muss grundlegende menschliche Bedürfnisse berücksichtigen, deshalb ist nach allgemeiner Ansicht, die "Pinkelpause" Teil der bezahlten Arbeitszeit. Niemand muss deswegen ausstechen. Sie ist daher keine unbezahlte Pause nach § 4 ArbZG. In einigen Tarifverträgen ist die Kategorie der bezahlten Bedürfniszeit ausdrücklich anerkannt worden (Steinkühler AiB 2008, 506, 507; zur Bedeutung der Pinkelpause in der digitlaen Arbeitswelt Kohte NZA 2015, 1417,1422).


    Mit derselben Begründung ist auch die "Gassipause" des Blindenhundes anzuerkennen, denn eine solche Pause ist für den blinden Beschäftigten unverzichbar. Ich stimme dem Vorschlag von Felix Welti zu, dass bei Konflikten um diese Pause eine Regelung in der Inklusionsvereinbarung sinnvoll ist. Sie ist ein anschauliches Beispiel für die Notwendigkeit "angemessener Vorkehrungen" zur behinderungsgerechten Gestaltung der Arbeitsorganisation.

    Barrierefreiheit ist ein wichtiger Baustein für jede Inklusion. Die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes sind nach dem BGG bzw. den Landesgesetzen und den ergänzenden Verordnungen zur Barrierefreien Information verpflichtet, in ihrer Dienststelle barrierefreie Information zu ermöglichen. In anderen Unternehmen kann Barrierefreiheit Teil der Pflicht zur behinderungsgerechten Gestaltung der Arbeit sein - § 81 Absatz 4 SGB IX.
    In der Praxis dürften nachhaltig hörbehinderte bzw. ertaubte Menschen als Schwerbehinderte anerkannt sein. Zumindest eine Gleichstellung müsste möglich sein. In diesen Fällen ist das Integrationsamt am BEM zu beteiligen; die Integrationsämter erbringen Assistenzleistungen, dazu kann auch die Arbeit eines Gebärdendolmetschers bzw. Schriftdolmetschers gehören. In einer solchen Konstellation sollten Arbeitgeber bzw. SBV mit dem Integrationsamt Kontakt aufnehmen (§ 99 Absatz 2 SGB IX) und eine praktische Lösung suchen. Wenn es positive Erfahrungen gibt, sollten sie in die Integrationsvereinbarung aufgenommen werden. Auch hier kann das Integrationsamt zur Vermittlung herangezogen werden.