Beiträge von W. Kohte

    Die Frage bezieht sich nicht auf das BEM (das ist § 84 Abs. 2 SGB IX), sondern auf die Kündigungsprävention nach § 84 Abs. 1 SGB IX. Beim BEM muss zu einem fixen Zeitpunkt (6 Wochen AU in den letzten 12 Monaten) die Einladung des Beschäftigten erfolgen und zeitgleich die Interessenvertretung - also bei Schwerbehinderten/Gleichgestellten - zusätzlich die SBV informiert werden. Das ist ein klarer und einfacher Zeitpunkt.
    Die Kündigungsprävention nach § 84 Abs. 1 DGB IX kennt einen solchen präzisen Zeitpunkt nicht, denn sie soll erfolgen, sobald eine Gefährdung des Beschäftigungsverhältnisses eintritt. Dieser Termin ist schwieriger zu bestimmen, denn er bezieht sich auf alle Gefährdungen - auch zB betriebsbedingte Kündigungen. Ich darf dies an einem Beispiel erläutern. An unserer Universität sollte die veraltete zentrale Telefonanlage auf eine neue Technologie ohne Telefonzentrale umgestellt werden. Das war plausibel, aber in der Zentrale arbeiteten mehrere blinde Beschäftigte, die diese Arbeit sehr gut erledigten. Wir haben darauf diesen Prozess zeitlich gestreckt und eine schrittweise Versetzung ins Klinikum organisiert, denn in einem Klinikum muss es eine Tag und Nacht besetzte Telefonzentrale geben, die auf Notfallanrufe antworten kann. Weil wir diesen Prozess rechtzeitig eingeleitet haben, konnten alle Arbeitsverhältnisse gesichert werden. Dies erfordert eine gute Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, dem nach §§ 90, 92 BetrVG bereits frühzeitig eine solche Technik- und Personalplanung mitzuteilen ist. Hier ist auch die SBV einzubeziehen; sobald die potentiell Betroffenen identifiziert sind, ist das Verfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX - natürlich mit Beteiligung der SBV und des Betriebs- oder Personalrats - einzuleiten.

    Die BEM-Pflicht des Arbeitgebers ist im Gesetz relativ einfach geregelt. Sobald AU-Zeiten von insgesamt 6 Wochen in den letzten 12 Monaten vorliegen, ist das BEM anzubieten. Wenn der Arbeitgeber untätig bleibt, ist es im betrieblichen Alltag am einfachsten, sich mit Betriebsrat bzw. Personalrat - ggfalls auch SBV - zu verständigen und sie darauf anzusprechen. Diese haben nach § 84 Abs. 2 S. 6 SGB IX das Recht, die Durchführung eines BEM zu verlangen. In der Mehrzahl der Betriebe gehen Arbeitgeber inzwischen darauf ein, weil viele gehört haben, dass sie andernfalls Probleme mit der Krankheitskündigung haben. Wenn trotzdem ohne BEM eine Kündigung versucht werden soll, ist es Sache des Betriebsrats, der nach § 102 BetrVG vor der Kündigung angehört wird, einer solchen Kündigung zu widersprechen. Wenn ein Betriebsrat in einer solchen Konstellation angehört wird, soll er nach § 102 Abs. 4 BetrVG bereits vor der Kündigung mit dem Beschäftigten Kontakt aufnehmen; dieser könnte/sollte wiederum noch vor Ausspruch der Kündigung dem Arbeitgeber zB mit kurzem Anwaltsschreiben mitteilen, dass er/sie auf seinem Recht zum BEM besteht und gegen eine Kündigung natürlich gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen wird.

    Sämtliche Reha-Träger haben sich in der Gemeinsamen Empfehlung zum Reha-Prozess bereit erklärt, das betriebliche BEM zu unterstützen. Deutlichere Beschlüsse sind von der gesetzlichen Unfallversicherung gefasst worden, die sich verpflichtet hat, im Rahmen ihrer Zuständigkeit BEM-Verfahren durch Information und Sachverstand zu unterstützen. Hierzu haben einige Unfallversicherungsträger konkrete Aktivitäten gestartet. Die Unfallversicherung ist nach § 14 SGB VII verpflichtet, der Entstehung arbeitsbedingter Krankheiten mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Dazu gehört natürlich auch die arbeitsschutzkonforme Gestaltung von Arbeitsplätzen, zB mit Hebehilfen. Betriebs- und Personalräte können sich nach §§ 89 BetrVG, 81 BPersVG jederzeit mit der zuständigen BG oder Unfallkasse in Verbindung setzen, um dazu konkrete Informationen zu erhalten. In einer BEM-Vereinbarung kann geregelt werden, dass Arbeitgeber in Konkretisierung von § 84 Abs. 2 S. 4 SGB IX zB bei allen Wirbelsäulenproblemen die jeweilige BG einschalten. Eine solche Regelung ist auch nach der BAG-Rechtsprechung möglich und durchsetzbar.

    Im Koalitionsvertrag war 2013 eine Stärkung des BEM versprochen worden. Das hatte man 2016 bei den Beratungen in der Bundesregierung und im Bundestag "vergessen". Auch in der Anhörung spielte dieses Thema keine große Rolle. Aus meiner Sicht fehlte es auch an einer breiten rechtspolitischen Diskussion, ob und welche gesetzlichen Änderungen sachgerecht sind. Diese Diskussion sollte vor dem Herbst 2017 erfolgen, damit im nächsten Koalitionsvertrag präzisere Forderungen verabredet werden können.

    Diese Antwort betrifft nur die SBV. Diese muss nach § 84 Abs. 2 S. 1 SGB IX bei schwerbehinderten und diesen gleichgestellten Beschäftigten am BEM beteiligt werden. Wenn der Arbeitgeber dies unterlässt, kann das Beteiligungsrecht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren durchgesetzt werden. Im betrieblichen Alltag wird dies jedoch nicht der erste Schritt sein; in der Kooperation mit Betriebs- und Personalrat sollte geklärt werden, dass eine gegenseitige Unterrichtung über Einleitung und Stand von BEM-Verfahren erfolgt. Im übrigen empfiehlt sich zunächste eine Rücksprache mit der Stelle, die im Betrieb das BEM durchführt.
    BAG und BVerwG meinen, dass die Beschäftigten die Teilnahme der Interessenvertretung ablehnen können und dass sie vom Arbeitgeber über dieses angebliche Recht zu informieren sind. Ich halte dies für falsch; aber zur SBV haben beide Gerichte keine Aussagen gemacht. Hier wird bisher ein solches Recht abgelehnt; es ist nur für externe Bewerber in § 81 Abs. 1 S. 10 SGB IX normiert, es gibt keinen Grund, diese Ausnahmevorschrift auf interne Beschäftigte zu erstrecken.
    Wichtig ist hier vor allem § 99 Abs. 2 SGB IX. Die SBV hält die Verbindung zum Integrationsamt (und umgekehrt das Amt zur SBV!). Diese Verbindung ist nicht von einer individuellen Zustimmung abhängig und sie soll dazu führen, dass die begleitende Hilfe des Amtes nach § 102 Abs. 3 SGB IX effektiv erfolgt. Es ist auch im Interesse jedes rational handelnden Arbeitgebers, dass Zuschüsse zur behinderungsgerechten Gestaltung der Arbeit genutzt werden. Es ist daher sinnvoll, dass in jeder BEM-Vereinbarung geregelt wird, dass die SBV an den Verfahren schwerbehinderter Beschäftigter beteiligt wird, um mit dem Integrationsamt und den Betroffenen eine Vorklärung zu unternehmen, welche begleitenden Hilfen möglich sind, damit sie vom Arbeitgeber als Ergebnis des BEM beantragt werden können. Dieser Zusammenhang war und ist dem 1. Senat des BAG bisher unbekannt; deswegen ist seine Entscheidung vom 22.3.2016 noch nicht das letzte Wort.

    Integrationsvereinbarungen nach § 83 SGB IX sind ein gutes Mittel, um betriebliche Ziele für die Ausbildung von Menschen mit Behinderungen festzulegen. Diese Ziele sollten möglichst klar, am besten mit Zahlen, definiert werden. In unserer Hochschule haben wir vereinbart, dass die allgemeine Beschäftigungsquote gesondert auch für die Ausbildung gilt, so dass regelmäßig Ausbildungsverträge geschlossen werden müssen. Es gibt keine Einigungsstelle, die eine solche Regelung festlegen kann. In schwierigen Fällen kann das Integrationsamt um Vermittlung gebeten werden. Das hat den Vorteil, dass das Integrationsamt über seine Unterstützungsmöglichkeiten informieren und so mit geldwerten Leistungen "überzeugen" kann. Natürlich ist es für Betriebs- und Personalräte sowie für Schwerbehindertenvertretungen wichtig, dass über die Verhandlungen zur Integrationsvereinbarung in den Betriebsversammlungen und möglichen schriftlichen Mitteilungen an die Beschäftigten informiert wird.

    Nach dem aktuellen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz müssen für Leiharbeitnehmer die selben Arbeitsbedingungen gelten, ihnen muss daher ebenfalls die Möglichkeit der stWE eingeräumt werden. Natürlich muss die Unfallgefahr bereits bei der Regelung der stWE bedacht werden, so dass bestimmte Tätigkeiten zumindest in der ersten Eingliederungsphase nicht in Betracht kommen. Gerade deswegen sollen am "runden Tisch des BEM" auch Betriebsrat und SBV sitzen, weil ihre Erfahrungen für die Beurteilung dieser Gefährdungen wichtig sind. Wenn für den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG vorliegt, ist dem Arzt eine Kopie zu übermitteln.
    Das Verleihunternehmen ist für die BG nur ein "Buhmann", wenn Unfallverhütungsvorschriften verletzt werden. Wenn es zu einem Arbeitsunfall kommt, ist die persönliche Haftung sowohl des Verleihers als auch des Entleihers in aller Regel ausgeschlossen (LAG Berlin-Brandenburg (30.7.2013 - 7 Sa 688/13).

    Ich stimme den Aussagen von Herrn Becker zu. Eine fördernde Rolle kann das Integrationsamt spielen, das Zuschüsse gewähren kann, die die behinderungsgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes und eine "Minsderleistungsausgleich" nach § 102 SGB IX betreffen. Auf diese Weise können die Hürden für die stWE etwas verringert werden. Die SBV kann nach § 99 SGB IX direkt Kontakt mit dem Integrationsamt aufnehmen.

    Das Beispiel von Herrn Nicolaus zeigt wichtige Fortschritte aus der letzten Zeit. In einigen Betrieben gibt es inzwischen eine strukturierte Zusammenarbeit zwischen Betrieben und Reha-Einrichtungen. In einigen Fällen nehmen die Rehabilitanden bereits eine Stellungnahme des Betriebsarztes zu den Möglichkeiten der stWE mit, wenn der Arbeitnehmer damit einverstanden ist. In einigen Betrieben ist auch eine verbesserte Nachsorge unter Beteiligung der Reha-Einrichtung möglich. Solche Regelungen können in einer Integrationsvereinbarung nach § 83 SGB IX mit Betriebsrat und SBV vereinbart werden.
    Im Reha-Kolloquium hatten wir in diesem Jahr am 12.3.2014 eine ausführliche Informationsveranstaltung zu solchen Reha-Netzwerken durchgeführt. Wir diskutieren, ob und wie wir diese Ergebnisse im Online-Forum dokumentieren.

    Oft findet die stufenweise Wiedereingliederung (stWE) im Rahmen eines BEM statt. Hier ist die SBV nach § 84 Abs. 2 SGB IX bei allen schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten zu beteiligen. Die näheren Einzelheiten können in der Integrationsvereinbarung nach § 83 SGB IX geregelt werden. In Betrieben, die ein Integrationsteam gebildet haben, gehört die SBV regelmäßig zum Integrationsteam. In größeren Betrieben hat es sich bewährt, wenn auch die stellvertretenden Mitglieder nach § 95 Abs. 1 S. 4 SGB IX herangezogen werden. Dabei kann es auch eine kategoriale Aufteilung zB nach Betriebsteilen oder Beschäftigtengruppen auf die verschiedenen Mitglieder geben.
    Unabhängig von einem BEM ist die SBV nach § 95 Abs. 2 SGB IX vom Arbeitgeber umfassend zu unterrichten, denn die stWE ist eine "Angelegenheit", die einen schwerbehinderten Menschen berührt; will das Arbeitgeber die stWE in der vom Betroffenen/Arzt beantragten Art und Weise nicht durchführen, dann ist dies eine "Entscheidung", bei der die SBV VOR dieser Entscheidung beteiligt werden muss (BAG 14.3.2012 - 7 ABR 67/10).
    Auch wenn der Arbeitgeber die SBV nicht korrekt und rechtzeitig informiert, hat die SBV eine Chance zur rechtzeitigen Information, weil sie an den Sitzungen des Betriebsrats bzw. Personalrats teilnimmt und auf diese Weise an Informationen gelangt und dann sofort mit dem Betroffenen Kontakt aufnehmen kann. In einem solchen Fall ist es wichtig, dass die SBV vom Arbeitgeber die korrekte Beteiligung nach § 95 Abs. 2 SGB IX verlangt; Betriebs- und Personalrat sind gehalten, die SBV dabei zu unterstützen und haben auch weitere Möglichkeiten (Porsche reha-recht.de/Forum B 8/2012)-

    Die stufenweise Wiedereingliederung (stWE) ist zunächst ein Recht von Beschäftigten, denen eine entsprechende vertragsärztliche Verordnung erteilt worden ist. Die Initiative dazu kann vom Arzt, aber natürlich auch von der betroffenen Person ausgehen, die sich dann mit dem Arbeitgeber in Verbindung setzt.
    Verschiedene betriebliche Akteure können/sollen auf die stWE hinweisen. Zunächst ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten (§ 84 Abs. 2 SGB IX). Der Beschäftigte hat das Recht - nicht die Pflicht! - das BEM anzunehmen.In jedem ordnungsgemäß durchgeführten BEM wird dann auf die stWE aufmerksam gemacht, wenn sie in Betracht kommt. Betriebs- oder Personalrat und Schwerbehindertenvertretung nehmen am BEM teil und können ebenfalls auf die stWE hinweisen.
    Wenn Beschäftigte an einer stationären Reha-maßnahme teilnehmen, gehört es zu den heutigen Standards, dass die Ärzte bzw. Sozialberater mit den Patienten die Möglichkeiten der stWE erörtern und diese in die Wege leiten. In einigen Großbetrieben gibt es inzwischen lokale Reha-Netzwerke über die Zusammenarbeit mit bestimmten Einrichtungen. Hier gibt es oft auch eine regelmäßige Kommunikation zwischen Betriebsärzten und Reha-Einrichtungen über die Möglichkeiten der stWE im jeweiligen Betrieb. Wir werden praktische Beispiele am Mittwoch, den 12.3. vormittags im Reha-Kolloquium in Karlsruhe diskutieren.

    Maßgeblich ist zunächst die ärztliche Bescheinigung. Wenn diese für die ersten beiden Wochen nicht mehr als zwei Stunden vorsieht, dann darf nicht pauschal abgelehnt werden. Vielmehr beginnt die Suche nach passenden Möglichkeiten. Der Busfahrer könnte zB ausschließlich im Schulbustransport morgens zwischen 7 und 9 Uhr eingesetzt werden. Ein anderer Busfahrer könnte in dieser Zeit den Arbeitszeitausgleich für Überstunden erhalten und würde dann zB erst um 9 Uhr beginnen.
    Stufenweise Wiedereingliederung ist "Maßarbeit" und verlangt gemeinsames Nachdenken. Deswegen ist es so wichtig, dass Betriebsrat und SBV beteiligt sind. In der Regel machen die Betroffenen selbst konstruktive Vorschläge. Rechtlich kann der Arbeitgeber die Wiedereingliederung nur ablehnen, wenn die Ausgestaltung für ihn "unzumutbar" ist. Unzumutbarkeit setzt aber immer eine individuelle Abwägung voraus, es gibt keine pauschale und für immer gleiche Unzumutbarkeit.

    In den meisten Fällen wird die stufenweise Wiedereingliederung im Rahmen eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements stattfinden. Dessen Grundregeln unterliegen der Mitbestimmung (so BAG 13.3.2012 - 1 ABR 78/10, NZA 2012, 748). In einer Betriebsvereinbarung zum BEM kann daher geregelt werden, dass die stufenweise Wiedereingliederung im Integrationsteam unter Beteiligung von Betriebsrat und ggfalls Schwerbehindertenvertretung beraten und dem Beschäftigten angeboten wird. Dieser ist letztlich frei, ob er dieses Angebot annimmt.
    Unabhängig vom BEM liegt in der Vereinbarung einer Wiedereingliederung eine "Einstellung" iSd § 99 BetrVG. Das Eingliederungsverhältnis ist zwar kein Arbeitsverhältnis, aber eine innerbetriebliche Eingliederung, das reicht nach ständiger Rechtsprechung des BAG für § 99 BetrVG aus (23.6.2010 - 7 ABR 1/09, NZA 2010, 1302). Die SBV ist nach § 95 Abs. 2 SGB IX zu beteiligen.
    Wichtig ist, dass ein Mitglied des Betriebsrats / der SBV an dem Gespräch und "Suchprozess" teilnimmt, wie die Eingliederung aussehen kann und welche Stufen sinnvoll sind. Das muss dann im Integrationsteam nach ca 2 - 4 Wochen gemeinsam überprüft und "nachgesteuert" werden.