Beiträge von Wolfgang

    Auch wenn es im deutschen Arbeitsrecht keinen ausdrücklichen Rechtssatz gibt, wonach Arbeitgeber zugunsten aller behinderter und von Behinderung bedrohter Beschäftigter angemessene Vorkehrungen treffen müssen ...

    Siehe zum Thema auch Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Eichenhofer, »Angemessene Vor­kehrungen« in das Allgemeine Gleich­be­hand­lungs­gesetz!, Behindertenrecht br 05/2019, Seite 117 bis 121.

    Eine praxisrelevante Rechtsfrage zu Betriebsferien, die bereits früher in anderen Foren andiskutiert wurde von einem DRV-Experten. Jedenfalls haben die davon Betroffenen eine solche „Unterbrechung“ nicht zu vertreten, obgleich Betroffene ihren Facharzt bei der Besprechung des Eingliederungsplans natürlich darauf hätten hinweisen können, da Betriebs- und Werksferien regelmäßig schon lange vorher festgelegt werden und nicht von heute auf morgen.


    Die teils höchst „kreative“ Praxis einzelner Krankenkassen ist im krankenkassenforum.de verbreitet schon vor Jahren (m.E. zu Recht!!) auf harsche Kritik gestoßen. Wie Betriebsräte eine StW während den Werksferien sehen, siehe WAF-Forum 2018


    TIPP: Lesenswerter Aufsatz zu diesem Thema des Sozialrichters Geiger, „Soziale Absicherung während der StW“ - erschienen in: info also 5/2012 Seite 195 bis 200

    Können Beschäftigte einen „leidensgerechten“ Arbeitsplatz für die Stufenweise Wiedereingliederung vorschlagen?

    Klar können sie das: Die Stufenweise Wiedereingliederung auf einem als nicht behinderungsgerecht erkannten bisherigen Arbeitsplatz sehenden Auges vorzunehmen wäre ja geradezu kontraproduktiv bzw. fehlerhafte BEM-Maßnahme – sofern dieser nicht behinderungsgerecht angepasst werden kann. Beschäftigte haben das Recht, geeignete BEM-Maßnahmen vorzuschlagen laut ständiger Rechtsprechung.


    In § 74 SGB IX steht zwar „bisherige Tätigkeit“. Das muss aber m.E. nicht so eng ausgelegt werden, als dürfe die StW zwingend nur am bisherigen „Schreibtisch“ vorgenommen werden – wenn etwa als BEM-Maßnahme eine behinderungsgerechte Umsetzung auf einen anderen geeigneten freien Arbeitsplatz geboten erscheint gemäß betriebsärztlicher Einschätzung laut Schrifttum.


    NB Der Begriff leidensgerecht statt „behinderungsgerecht“ nach § 164 Abs 4 SGB IX wird als unpräzise angesehen, weil sbM nicht an einer Krankheit (zwingend) leiden müssen, z.B. Kleinwüchsige:


    Terminologie
    „leidensgerecht“ = falsch, weil sbM nicht an einer Krankheit leiden müssen, z.B. Kleinwüchsiger!
    „behindertengerecht“ = falsch, weil es keinen typischen sbM gibt, sondern viele unterschiedliche Behinderungen!
    „behinderungsgerecht“ = richtig, denn Arbeitgeber muss die individuelle Behinderung des sbM berücksichtigen! So § 81 Abs.4 SGB IX“ [jetzt § 164 Abs. 4 SGB IX]

    Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie zu § 74 Satz 3 SGB V


    Das ­ Terminservice- und Versorgungsgesetz bringt Neuerungen bei der ärztlichen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit in dem Zusammenhang mit der Stufenweisen Wiedereingliederung: Bei Arbeitsunfähigkeit, die länger als 6 Wochen andauert, soll mit der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit auch die Möglichkeit der Stufenweisen Wiedereingliederung regelmäßig geprüft werden nach § 74 SGB V n.F. So soll die Rückkehr ins Arbeitsleben vor allem für Menschen mit längerfristigen Erkrankungen erleichtert werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss veröffentlicht hierfür bis zum 30.11.2019 eine neue Richtlinie, die das genaue Verfahren regeln wird. Der Beschluss vom 22.11.2019 dieser Richtlinie ist bereits online. Inkrafttreten der Änderungen dieser AU-Richtlinie erfolgt nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger vorbehaltlich der Prüfung und Nichtbeanstandung durch das BMG laut § 94 SGB V


    § 7 Stufenweise Wiedereingliederung
    (1) Bei der Feststellung, ob eine stufenweise Wiedereingliederung gemäß § 74 SGB V und § 44 SGB IX empfohlen werden kann, sind körperlicher, geistiger und seelischer Gesundheitszustand der oder des Versicherten gleichermaßen zu berücksichtigen. Deshalb darf diese Feststellung nur aufgrund ärztlicher Untersuchung erfolgen. Die Empfehlungen zur Umsetzung der stufenweisen Wie­der­ein­glie­derung in der Anlage dieser Richtlinie sind zu beachten.
    (2) Die Feststellung nach Absatz 1 hat spätestens ab einer Dauer der Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen im Zusammenhang mit jeder Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 5 zu erfolgen.
    (3) Von einer Feststellung nach Absatz 1 ist abzusehen, sofern durch die Teilnahme an einer Maßnahme der stufenweisen Wie­der­ein­glie­derung für den Genesungsprozess der oder des Versicherten nachteilige gesundheitliche Folgen erwachsen können. Gleiches gilt, sofern Versicherte eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit ablehnen.
    (4) Eine Feststellung nach Absatz 1 erfolgt nicht im Rahmen des Entlassmanagements nach § 4a.“


    Rechtsentwicklung
    Gut finde ich auch, dass im Absatz 2 "spätestens" steht. Das lässt Spielräume offen. Diese gesetzliche ärztliche Prüfpflicht besteht bereits seit 11.05.2019 nach § 74 Satz 2 SGB V n.F.

    Nach Ansicht des BAG, 16.05.2019, 8 AZR 530/17, Rn. 44 am Ende, sei wie folgt zu differenzieren:


    „Soweit es sich um schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte behinderte Menschen handelt, kann sich für diese ein Anspruch auf Beschäftigung im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nur aus § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX a.F. ergeben. Demgegenüber haben nicht schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte behinderte Menschen - wie unter Rn. 21 ausgeführt - grundsätzlich keinen Anspruch auf Mitwirkung des Arbeitgebers an einer stufenweisen Wiedereingliederung; vielmehr ist das Wiedereingliederungsverhältnis in Fällen außerhalb von § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX a.F. ein Rechtsverhältnis eigener Art, das zu seiner Entstehung einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf.“

    ... siehe auch SG Berlin, Urteil vom 29.11.2018, S 4 R 1970/18, Behindertenrecht, br 5/2019, Seite 142 (Kurzfassung) – anhängig: LSG Berlin-Brandenburg unter dem Aktenzeichen: L 4 R 19/19
    (Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg), mit Bezug auf SG Neuruppin, 26.01.2017, S 22 R 127/14. Dazu Anmerkung mit zahlreichen Nachweisen von Nebe/Piller, Fachbeitrag A19-2018


    Irreführend teils auch Rehadat-Lexikon welches „Fahrtkosten“ als „Zusatzleistungen“ bezeichnet – die vom Rehabilitationsträger gewährt werden „können“, so als stünde die Leistung im Ermessen des (zuständigen) Rehaträgers. Bisher leider nicht thematisiert im DRV-Rdschr. und (auch) nicht im BIH-Fachlexikon. Weiterhin „kategorisch“ ablehnend im DRV-Forum von Moderatoren Auch KK blockieren bzw. scheinen teils wenig kooperativ zu sein.

    Als einer der zentralen Ansprechpartner bei der Stufenweisen Wiedereingliederung wird bei einem Erfordernis im Einzelfall der Betriebsarzt angesehen. Dieser sollte die Arbeitsbedingungen vor Ort näher kennen einschließlich Gefährdungsbeurteilung Auch wird ein gezielter Austausch des behandelnden Arztes bzw. des Reha-Arztes mit Betriebsarzt (natürlich immer mit vorheriger Zustimmung des Betroffenen) grds. faktisch als unabdingbar angesehen im Sinne des § 74 Satz 1 SGB V – damit es nicht zum 08/15-Eingliederungsplan kommt nach „Schema F“ und wg. evtl. „Nachjustierung“ des Stufenplans. Zu diffusen Ängsten aus der Praxis vgl. auch Diskussion im Forum einer Frauenselbsthilfe.


    Wenig hilfreich erscheint mir eine voll verfehlte Interpretation von Petri der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, soweit vertreten wird, dass sich Arbeitgeber mit dem BEM-Angebot bis zu sechs Monate Zeit lassen könnten („Die namentliche Information der Personalvertretung hat "regelmäßig" zu erfolgen. Das BVerwG geht hier von einem flexiblen Zeitrahmen aus und hält insoweit eine Mitteilung "in regelmäßigen Abständen, mindestens halbjährlich" für ausreichend.“), obwohl BVerwG, 23.06.2010, 6 P 8.09, und BAG, 30.09.2010, 2 AZR 88/09, Rn. 34, seit Jahren von „frühzeitiger Klärung“ sprechen. So wird das offenbar auch zu Recht von Integrationsämtern bzw. Inklusionsämtern gesehen („frühzeitig handeln“). In dieselbe Richtung zu Recht Prof. Dr. Kohte sowie Lange, wonach wenigstens „monatlich“ zu erfassen und "zeitnah" Kontakt auf­zu­neh­men ist. Ferner Prof. Düwell/Beyer, Das neue Recht für behinderte Beschäftigte, Rn. 204, wo­nach der Arbeitgeber tätig werden muss, "sobald die Sechswochenfrist erfüllt ist". Das BVerwG hat auch niemals von einem solchen überlangen „ausreichenden“ flexiblen Zeitrahmen von 6 Monaten gesprochen, sondern vielmehr wiederholt (10x) auf seinen Grundsatzbeschluss vom 23.06.2010 verwiesen zur frühzeitigen (statt halbjährlichen) Klärung.


    Das kann entgegen Petri mitnichten aus BVerwG 04.09.2012, 6 P 5.11, abgeleitet werden: Das BVerwG hat vielmehr das zuerkannt, was beantragt wurde, weil es nicht darüber hinausgehen durfte und an die ungeschickte Antragstellung („halbjährlich“) des PR natürlich gebunden war lt. Prozessrecht. Das Gericht war demnach überhaupt nicht befugt, etwas zuzusprechen, was nicht beantragt wurde nach § 88 VwGO Die Einschätzung bzw. “Unterstellung“ dieses Landes-Datenschutzbeauftragten Prof. Dr. Petri zu dessem sechsmonatigen Zeitrahmen ist strikt abzulehnen, da m.E. prozessrechtlich haltlos nach dem römischen Grundsatz „ne ultra petita“ und da dessen Annahme die h.M. sowie Gesetzesmaterialien klar entgegenstehen.


    Und das BVerwG hat allein in dieser Entscheidung gleich 3x auf den Beschluss vom 23.6.2010, 6 P 8.09, ausdrücklich verwiesen, in dem von „frühzeitiger Klärung“ die Rede ist. Vgl. dazu auch Düwell, in: jurisPR-ArbR 34/2016 Anm. 1 zu VGH Bayern, 15.03.2016, 17 P 14.2689, der seine früheren Fehlbeschlüsse von 2009 und 2012 revidierte. Abzulehnen ist das „rigidere“ Fehlurteil des KAGH vom 28.11.2014 – M 06/2014 –, wonach keine Berechtigung des Dienst­ge­bers zur Weitergabe der Klarnamen der BEM-Berechtigten an die MAV bestehe, und wonach eine „anonymisierte“ BEM-Liste genüge (unter Bezug auf den obsoleten Fehlbeschluss des VGH Bayern vom 30.04.2009 - 17 P 08.3389). Kritisch zu Recht ZAT 3/2015, 95; Czichon, jurisPR-ArbR 22/2017 Anm. 3, Abschn. C.


    Das scheint in der Praxis laut BIH-Umfrage 2016 mit über 1.000 Teilnehmern wohl noch immer nicht überall angekommen zu sein. Wie soll eine geschulte SBV auf eine gebotene StW hinwirken, wenn die SBV erstmals nach über einem halben Jahr informiert wird über die AU? Bei nicht schwerbehinderten Beschäftigten ergebe sich ein grds. Anspruch auf StW aus § 167 Absatz 2 SGB IX laut BIH; a.A. aber wohl BAG, 16.05.2019, 8 AZR 530/17 am Ende II, wonach ein solcher Anspruch grds. nicht bestehe, da für beide Seiten das „Prinzip der Freiwilligkeit“ grds. gelte laut BAG, Rn.21

    Als Faustregel gilt, dass jeder diejenigen Tatsachen beweisen muss, aus denen er Rechte herleitet. Gemäß sog. Rosenberg'scher Formel gilt der Grundsatz, wonach jeder die Beweislast für das Vorliegen der ihm günstigen Tatsachen trägt. Diese Beweislast liegt bei demjenigen, der die Behauptung aufstellt und es ist nicht Aufgabe von irgendwem sonst, die Behauptung zu widerlegen.


    Der Ansicht von Marie Heide und Dr. Michael Karpf zur Beweislast ist folglich zuzustimmen nach der "Formel" von Prof. Rosenberg, Die Beweislast auf der Grundlage des bürgerlichen Gesetzbuchs und der Zivilprozeßordnung, 5. Auflage 1965, Seite 98.

    Ohne rechtzeitige Beteiligung der SBV ist die Durchführung einer Arbeitgebermaßnahme auszusetzen und die Beteiligung nachzuholen. Dieses Recht hat eine deutliche Schwäche: wenn die Maßnahme bereits durchgeführt ist und die SBV nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt hat, geht es ins Leere. Deshalb haben wir 2016 eine Unwirksamkeitsklausel gefordert, die für Kündigungen in § 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX ins Gesetz aufgenommen worden ist. Das reicht aber nicht; diese Unwirksamkeit muss erstreckt werden auf Versetzungen und Aufhebungsverträge (Kohte/Liebsch, reha-recht.de/ Fachbeitrag B 2 - 2018). Im Koalitionsvertrag ist 2017 eine "Stärkung der SBV" zugesagt worden. Eine solche Ergänzung von § 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX wäre eine reale Stärkung der SBV.

    So bleibt zu hoffen, dass Jürgen Dusel das auch mit Nachdruck aufgreift in den heute angekündigten „Teilhabe-Empfehlungen an die Bundesregierung“ zum Jahresende 2019.


    Kurzgutachten dazu von Prof. Dr. Kohte 2016 zur Effektivierung des Informations- sowie Anhörungsrechts der SBV auf reha-recht.de

    ... hier als Praxisbeispiel eine Stellenausschreibungen mit Tätigkeitsbeschreibung 2017 für SBV-Bürokraft in Teilzeit
    http://www.berlin.de/stellen/19847


    ... und hier weiteres Praxisbeispiel: Stellenausschreibung mit Tätigkeitsbeschreibung für SBV-Bürokraft in Teilzeit (Auszug)


    Ihre Aufgaben
    * Erledigung von Vorzimmer- und Assistenztätigkeiten wie die Abwicklung des Schriftverkehrs, die Vergabe und Überwachung von Terminen sowie die Wahrnehmung allgemeiner Bürotätigkeiten und Funktionsüberwachung der technischen Infrastruktur
    * Vorbereitung von Sitzungen oder Arbeitskreisen der Schwerbehindertenvertretung (Erstellen von Einladungen und Tagesordnungen, Schreiben von Sitzungsvorlagen, Protokollen oder ähnliches)
    * Unterstützung bei der Organisation von Veranstaltungen der Schwerbehindertenvertretung (unter anderem Schulungen und Fortbildungen, Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung oder der Gesundheitstag) und Unterstützung bei der weiteren Öffentlichkeitsarbeit
    * Beantwortung von allgemeinen Auskünften im Rahmen der Schwerbehindertenangelegenheiten und Mithilfe bei Antragstellungen von Betroffenen sowie
    * Entgegennahme und Verteilung von vertraulichen Unterlagen

    Im durch das BTHG geänderten Schwerbehindertenrecht wird vielmehr dem mit der höchsten Stimmenzahl gewählten stellvertretenden Mitglied der gleiche Schulungs- und Bildungsanspruch zugestanden wie der Vertrauenperson, um sich die für die SBV-Arbeit erforderlichen Kenntnisse anzueignen (§ 179 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 8 Satz 2 SGB IX).

    Leider nach 33 Monaten BTHG aber teilweise noch immer nicht aktualisiert in allen offiziellen Schulungsprogrammen 2019 bzw. Schulungsbroschüren 2019 einzelner Bildungsträger – und damit irritierend für die mit der höchsten Stimmenzahl gewählten SBV-Stellvertretungen in Berlin: Dort wird zwar korrekt der neue § 179 SGB IX genannt, aber jew. falsch und irreführend der aufgehobene einschränkende Gesetzeswortlaut des § 96 Abs. 4 SGB IX zitiert, so als hätte es 2016 keinerlei Rechtsänderung für die Schulung der Stellvertretung gegeben ?(

    Damit wird vieles blockiert und für uns schwieriger. Was können wir ändern oder anders machen?

    Solche Anträge sollten mE. möglichst mit fachärztlichem Befund des behandelnden Facharztes belegt werden – optimal wäre ein Facharzt mit arbeitsme­dizinischer bzw. wenigstens be­triebs­me­dizinischer Qualifikation = ar­beits­medizinische Fachkunde. Dann ist dieser „Personalärztliche Dienst“ gehalten, sich damit konkret bzw. substantiiert auseinanderzusetzen.

    "Die Personalleitung hält das nicht für erforderlich. Muss ich das nachweisen? Benötige ich dazu die Genehmigung der Dienststelle?"

    Diese Personalleitung orientiert sich wohl noch an der veralteten Rechtslage. Die alte BAG-Recht­spre­chung, wonach max. ein Stell­ver­tre­ter herangezogen werden könne bei über 200 schwer­be­hin­der­ten Beschäftigten (BAG, 07.04.2004, 7 ABR 35/03), ist schon seit 15 Jahren überholt durch ÄndG 2004, nun § 178 Abs. 1 Satz 5 SGB IX 2018. Seither steht es allein im Ermessen der VP, bis zu zwei Stellvertreter heranzuziehen bei 250 sbM. Einer Zustimmung oder Genehmigung der Dienststelle bedarf es dazu nicht.

    Danke für die Antworten. Mir ging’s aber darum, ob bei folgender TZ-Konstellation ge­setz­li­cher Rechts­an­spruch auf He­ran­zie­hung besteht:


    Schwelle von über 100 sbM bei VP in Vollzeit entspricht rechnerisch Schwelle von über 50 sbM bei einer VP in TZ mit 50 % laut ma­the­ma­ti­scher Dreisatzregel. Folgt da­raus rechtlicher Anspruch, wo­nach diese VP in TZ auch bei über 50 sbM heranziehen darf? Ich meine ja, weil Schwellenwert ins Verhältnis zu den Wo­chen­stun­den der VP gesetzt werden muss, weil Werte sonst nicht ver­gleich­bar sind bei rein sche­ma­ti­scher An­wen­dung des Schwel­len­wer­tes (= 101 sbM) in § 178 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Denn setzt man dies nicht ins Verhältnis, würde eine solche Auslegung offensichtlich im Ergebnis zu einer relativen Ungleichbehandlung die­ser VP in Teilzeit ggü. VP in Vollzeit führen. Richtig? Treffen würde das dann wohl besonders Frauen, da häufiger in Teilzeit bzw. in geringfügiger Beschäftigung.

    Zum Beispiel in der Inklusionsvereinbarung kann man regeln, dass die Heranziehung auch bei weniger als 100 schwer­be­hin­der­ten Menschen möglich ist, wenn der Arbeitgeber dazu be­reit ist.

    Kann man das denn einfach so vereinbaren, obwohl in § 178 Abs. 1 SGB IX keine Ermächtigung enthalten ist, von den dortigen ge­setz­li­chen Schwellenwerten für die Heranziehung abzuweichen, und wä­re das dann auch wirksam? Eine solche Ermächtigung enthält der § 178 Absatz 1 SGB IX jedenfalls nicht (an­ders als z.B. für Frei­stel­lun­gen nach § 179 Abs. 4 Satz 2 SGB IX, wo­nach „weitergehende Ver­ein­ba­run­gen zulässig“ sind). Kann man eine solche Ermächtigung z.B. aus § 166 SGB IX oder sonst ableiten für die Schwel­len­wer­te 101, 201, 301 usw?
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    Der Betrieb hat so um die 80 schwerbehinderte Beschäftigte. Die Vertrauensperson und ihre Stell­ver­tre­te­rin sind jeweils Halb­tags­beschäftigte.


    Besteht bei dieser Konstellation ein Anspruch auf Heranziehung nach § 178 Abs. 1 Satz 4 SGB IX (ent­spre­chend der Drei­satz­rech­nung), obwohl nicht über 100 sbM. Dafür spricht, dass das Gesetz wohl offenbar typisierend auf voll­zeit­be­schäf­tig­te Mandatsträger ab­stellt (obwohl es die immer weniger gibt ggü. früher), aber TZ-Beschäftigte faktisch nicht be­nach­tei­liegt wer­den sollen ggü. der voll­zeit­be­schäf­tig­ten SBV, oder?

    Die örtl. Vertrauensperson fällt leider voraussichtlich länger aus wegen einem Unfall. Ein Stellvertreter wurde 2018 nicht gewählt. Kann GSBV die Nachwahl einer SBV-Stellvertretung einleiten bzw. ist die GSBV bis dahin ersatzweise zuständig?

    „Bekommt diese Zeit aber weiterhin als Arbeitszeit bezahlt. Es ist demzufolge KEIN ehrenamtlicher Job.“

    Hallo, dass diese Amtstätigkeit kein Ehrenamt sei, kann man so pauschal wohl nicht sagen. Denn § 39 Absatz 3 Satz 4 WMVO verweist für die Rechtsstellung der Vertrauensperson auf den Rechts-Status des Werkstattrats, wonach dieser sein „Amt unentgeltlich als Ehrenamt“ wahrnimmt, wie folgt: „Für die Vertrauensperson gilt § 37 entsprechend.“ Selbst bei externer Vertrauensperson dürfte es sich folglich prinzipiell um eine ehrenamtliche Tätigkeit handeln, oder? Wohl ggf. mit einem Verdienstausfall bzw. einer Art „Aufwandsentschädigung“ für Externe? Wie sehen das die Rechts-Experten im Forum?

    „Mit den Neuregelungen der WMVO müssen die Werkstätten für diese aber auf jeden Fall mehr Geld vom Kostenträger bekommen, da nun auch Kosten für die Arbeit der Werkstatträte auf Landes- und Bundesebene getragen werden.“

    Hallo zusammen, das BMAS schreibt da­zu in seinen der­zei­ti­gen FAQ (Stand: 21. Sept. 2018) zur Finanzierung der Werk­statt­rä­te auf überregionaler Ebene:
    Weitere verbesserte Regelungen:
    •"Finanzierung der überregionalen In­te­res­sen­ver­tre­tun­gen der Werkstatträte auf Bundes- und auf Landesebene über die Kostensätze der Werkstätten (die Bun­des­ver­ei­ni­gung der Werk­statt­rä­te, BVWR, wird aktuell als Mo­dell aus Mit­teln der Aus­gleichs­ab­ga­be durch das BMAS ge­för­dert)."

    ... die von mir zitierte Passage des Re­gie­rungs­ent­wurfs findet sich unter dieser Adresse auf Seite 214. Dort wird davon ausgegangen, dass in den Ta­ges­kos­ten­sät­zen täglich etwa 0,50 Euro für die Arbeit des Werkstattrats enthalten sind. Im Gesetz findet sich diese Aussage nicht.

    Hallo zusammen, auch wenn nichts da­von ex­pli­zit im Ge­set­zes­wort­laut steht: Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) hat erst kürz­lich u.a. den Siebten Senat des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) öf­fent­lich "zu­rück­ge­pfif­fen" bzw. belehrt, dass einer amt­li­chen Gesetzes-Be­grün­dung der Bun­des­re­gie­rung be­acht­li­ches Ge­wicht zu­kom­me bei der Auslegung von Ge­set­zen, nachdem das BAG meinte, sich mal locker da­rü­ber hin­weg­set­zen zu können. Ich würde da­her evtl. mal beim "Bür­ger­te­le­fon" des BMAS kurz nach­fra­gen nach deren Sicht der Dinge zu diesem Pra­xis­pro­blem, Te­le­fon: 0­3­0 / 221 911 006, ob diese Rspr. des BVerfG auch auf die Ta­ges­kos­ten­sät­ze­ sinn­ge­mäß übertragbar ist? ;)
    www.bmas.de/buergertelefon


    BVerfG, 06.06.2018, 1 BvL 7/14
    www.dejure.org/2018,15553

    § 177 Abs. 3 Satz 2 SGB IX verweist darauf, dass nicht wählbar ist, wer "kraft Gesetzes dem Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat nicht angehören kann."


    Diese Voraussetzung dürfte wohl bei Soldaten in militärischen Einheiten nicht greifen, soweit dort neuerdings nach dem BTHG auch Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tun­gen­­ gewählt werden. Denn dort gibt es bei den Streitkräften keinen Personalrat laut SBG. Diese Einschränkung müsste demnach wohl kom­plett gestrichen werden im Wahlausschreiben und ersetzt werden - aber durch was ???

    Wäre dann das förmliche Wahlverfahren anzuwenden (Also: Außendienst wie 'entlegene Betriebsteile' bewertet)?


    In solchen Fällen ist m.E. nicht nur auf umbaute Betriebsteile im wörtlichen Sinne abzustellen. Denn sonst könnte es u.U. zu horrenden Rei­se­kos­ten alle vier Jahre kommen bei Fahrzeiten von mehreren Stunden, womöglich mit Übernachtung. Das gilt aus meiner Sicht umso mehr, wenn Wahlberechtigte nur gelegentlich zum zen­tra­len Betriebssitz kommen. Das gilt ebenso z.B. bei Entsendungen ins Ausland. Bei solchen aty­pi­schen Konstellationen darf und muss aus meiner Sicht förmlich gewählt werden.


    Da sich die Wahl­be­rech­tig­ten bei solchen Betrieben untereinander vermutlich kaum kennen und nichts von den jeweiligen Einsatzorten der anderen wissen, da bundesweit verstreut für längere Zeit eingesetzt, müssen ggf. aber zwingend in der Wählerliste auch die aktuellen Einsatzbetriebe bzw. Betriebsstätten eingetragen werden, um es den Wahlberechtigten objektiv zu ERMÖGLICHEN, ohne eigene aufwendige Ermittlungen kurzfristig Stütz­un­ter­schrif­ten für Wahlvorschläge zu sammeln. Als Betrieb i.S. des § 3 SchwbVWO wird auch der Einsatzbetrieb anzusehen sein (vgl. Düwell, Wahl der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung 2018, Abschnitt 10.3.2, Seite 69, und LAG Stuttgart, 28.11.2017 – 9 TaBV 4/17, zur Sicherung demokratischer Wahlen z.B. in Zeitarbeitsbetrieben).