Beiträge von Dr. Michael Karpf

    Optimal ist eine inhaltlich so bescheidene Pandemie-Klausel für das vereinfachte SBV-Wahlverfahren sicherlich nicht, aber vielleicht besser als gar keine Regelung. Die Wahlversammlung kann kann nach § 20 Abs. 1 Satz 2 SchwbVWO zur Unterstützung der Wahlleitung 2 oder 3 Wahlhelfer/innen bestimmen, damit sich die Briefwahl der stimmberechtigten Teilnehmenden an der Wahlversammlung gut organisiert abwickeln lässt.


    Viele Grüße
    Dr. Michael Karpf

    Das Teilnahmerecht der Schwerbehindertenvertretung an ALLEN Sitzungen des Betriebsrats/Personalrats ist bundesrechtlich durch § 178 Abs. 4 Satz 1 SGB IX gesichert, unabhängig davon, in welcher Form diese Sitzungen abgehalten werden. Daher sind von dieser Bestimmung auch Sitzungen, die als Telefon- oder Videokonferenzen abgehalten werden, erfasst. Die Wiederholungen des Anspruchs der SBV auf Teilnahme an BR/PR-Sitzungen im Betriebsverfassungsgesetz und jeweiligen Personalvertretungsrecht sind ohnehin fakultativ, denn das Recht der SBV ist in Teil 3 SGB IX geregelt.

    Winni: „Ich bin der Auffassung, dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass die SBV die Bürokraft nicht benötigt.“


    Die Auslegung von Winni ist fragwürdig. Die geforderte Verfahrensweise käme einer Beweislastumkehr gleich. Das sieht der Gesetzestext jedoch nicht vor. Ich teile die Ansicht von Marie Heide, wonach die Erforderlichkeit des Bedarfs von der SBV glaubhaft nachzuweisen ist.

    Beim Betriebsrat besteht der besondere Kündi­gungs­schutz nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für Ersatz­mit­glieder so lange, wie diese ein zeitweilig verhin­dertes ordent­liches Mitglied vertreten. Der besondere Kündi­gungs­schutz nach § 15 Absatz 1 Satz 2 KSchG (sogenannter nachwirkender Kündigungsschutz) besteht für die Dauer eines Jahres nach dem Ende der Tätigkeit als Ersatz­mit­glied. Der nachwir­kende Kündi­gungs­schutz tritt aller­dings nur ein, wenn das Ersatz­mit­glied in der Vertre­tungszeit konkrete Betriebs­rats­auf­gaben tatsächlich wahrge­nommen hat. Diese Bestimmung gilt aufgrund § 179 Absatz 3 Satz 2 SGB IX gleichermaßen auch für die SBV und ein die Vertrauensperson tatsächlich vertretendes stellvertretendes Mitglied.
    https://www.meyer-koering.de/m…des-betriebsrats-tatsaech

    BAG, 19.04.2012, 2 AZR 233/11

    https://dejure.org/2012,32686

    Der Auffassung des Personalleiters ist nicht zuzustimmen. Es gehört nicht zu den gesetzlichen Aufgaben einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen, stellvertretende SBV-Mitglied zu schulen. Im durch das BTHG geänderten Schwerbehindertenrecht wird vielmehr dem mit der höchsten Stimmenzahl gewählten stellvertretenden Mitglied der gleiche Schulungs- und Bildungsanspruch zugestanden wie der Vertrauenperson, um sich die für die SBV-Arbeit erforderlichen Kenntnisse anzueignen (§ 179 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 8 Satz 2 SGB IX).

    Eintägige Grundschulungen bieten die Integrationsämter nach meiner Kenntnis auch gar nicht an. Ein zeitlich so kurzes Basismodul wäre aufgrund der Komplexität des Rechts der Schwerbehindertenvertretung auch völlig unzureichend.

    Die vertretungsrechtliche Zuständigkeit liegt allein bei der jeweils gewählten örtlichen Ver­trau­ens­per­son der schwerbehinderten Menschen. Der GSBV fällt nämlich nicht die Ver­hin­de­rungs­ver­tre­tung nach § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu. Sie wird als überörtliche Vertretung auch nicht zur Ersatzvertretung nach § 180 Abs. 6 SGB IX, solange eine örtliche SBV gewählt ist und besteht. Das SGB IX sieht zudem keine Möglichkeit der Delegation von SBV-Aufgaben auf eine „höhere Instanz“ vor (im Gegensatz zu § 50 Abs. 2 BetrVG). Das mag un­be­frie­digend erscheinen, etwa wenn eine Vertrauensperson bis zum Ende der Wahlperiode ausfällt und sich bei der SBV-Wahl keine Bewerber*innen für das Amt als stellvertretendes Mitglied hatten finden lassen, ändert aber an der geltenden Rechtslage nichts.


    Im öf­fent­li­chen Dienst wurden teils über das SGB IX hinausgehende "Behelfsregelungen" in Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten getroffen für den Fall, dass ein stellvertretendes SBV-Mitglied nicht vor­han­den ist. Ein Beispiel hierfür findet sich in Abschnitt 14.3.3.4 der Inklusionrichtlinien des Freistaates Bayern (BayInklR 2019).
    https://www.gesetze-bayern.de/…#BayVV_2030_8_F_10382-253


    Die Einleitung der Nachwahl eines stellvertretenden Mitglieds (Ein­la­dung zur Wahl­ver­samm­lung oder Be­stel­lung des Wahl­vor­stands) muss stets von der Vertrauensperson ausgehen. Sollte sich diese im Krankenstand befinden, wäre es ausreichend, wenn ein vorbereitetes Einladungs- oder Bestellungsschreiben durch die Vertrauensperson un­ter­schrie­ben würde. Dieser Punkt ist aber alternativlos, denn nur die amtierende Vertrauensperson selbst kann die Nachwahl eines oder mehrerer stellvertretender Mitglieder nach § 17 oder § 21 SchwbVWO wahlordnungsmäßig korrekt initiieren.
    https://www.reha-recht.de/fach…/artikel/beitrag-b4-2017/

    Ich teile die Auffassung von Wolfgang, dass vorrangig der Betriebsrat bzw. Personalrat die Initiative zur Wahl einer SBV ergreifen sollte. Nach § 182 Abs. 1 SGB IX hat dieser auch in der Frage der SBV-Wahl eng mit dem Arbeitgeber und dessen Inklusionsbeauftragtem (m/w) zusammenzuarbeiten. Sollte es der Betrieb bzw. Arbeitgeber aber "nicht aus eigener Kraft" hinbekommen, die Wahl zu initiieren, dürfen sich Wahlberechtigte auch an das Integrationsamt wenden und dieses um Unterstützung bitten. Auf die diesbezüglichen Befugnisse des Integrationsamtes hat N. Bolwig (s.o.) bereits hingewiesen.

    Im Sinne des Landespersonalvertretungsgesetzes Baden-Württemberg (LPVG BW) sind Beschäftigte u.a. alle Personen, die weisungsgebunden in die Arbeitsorganisation einer Dienststelle eingegliedert und innerhalb dieser tätig sind (§ 4 Abs. 1 Satz 1 LPVG BW). Daneben gelten als Beschäftigte u.a. aber auch Personen, die zu einer anderen Dienststelle abgeordnet sind (§ 4 Abs. 1 Satz 2 LPVG BW).
    https://tinyurl.com/LPVGBW-Paragraf4


    Diese Definition des Beschäftigtenbegriffs im LPVG BW hat zur Folge, dass abgeordnete Beschäftigte bei Wahlen der Personalvertretungen sowohl in der aufnehmenden Dienststelle, in der sie in Folge der Abordnung tätig sind, wie auch in ihrer Stammdienststelle (abgebende Dienststelle) für den Personalrat wahlberechtigt sind, d.h. sie besitzen ein Doppelwahlrecht.


    Frage:
    Besitzen schwerbehinderte Beschäftigte in der Landesverwaltung Baden-Württemberg, die zu einer anderen Dienststelle abgeordnet sind, entsprechend der im LPVG BW getroffenen Regelung auch ein doppeltes Wahlrecht für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, d.h. dürfen sie bei den regelmäßigen Wahlen sowohl die SBV in ihrer Stammdienststelle wie auch die SBV in der Dienststelle, zu der sie am Wahltag abgeordnet sind, mitwählen?


    Ich lege § 177 Abs. 2 SGB IX eher so aus, dass kein Doppelwahlrecht vorgesehen ist. Aber die BIH argumentiert in ihrer Broschüre "Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2018" auf S. 17 (unten), dass die Frage, ob Beschäftigte wahlberechtigt für die SBV sind, sich "im öffentlichen Dienst nach dem jeweils anwendbaren Personalvertretungsrecht" richten würde. Da komme ich ganz schön ins Schleudern, wenngleich ich mich im SBV-Wahlrecht nicht ganz so schlecht auskenne.

    Jeder Datensatz in der Wählerliste ist untrennbar mit dem Merkmal "Behinderung" verknüpft, das als Gesundheitsdatum im Sinne von Art. 9 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu verstehen und somit den sensiblen personenbezogenen Daten zuzurechnen ist (besondere Kategorien von Daten). Diese sind besonders geschützt und dürfen nur ausnahmsweise verarbeitet werden. Ein Aushang der Wählerliste oder ihr Einstellen ins Intranet ist von den Ausnahmen vom Verbot der Verarbeitung sensibler Daten nicht gedeckt und dürfte daher einen schweren Datenschutzverstoss darstellen.


    Freundliche Grüße
    Michael Karpf