Beiträge von A. Jakoby

    Guten Abend, zur Frage von Bedarfsermittlung und dem Umgang mit Gutachten halte ich den Hinweis auf § 117 SGB IX nicht für zielführend. Die hier angesprochene Kriterium „transparenz" gibt für den Umgang mit Gutachten keine Grundlage. Für die Eingliederungshilfe gibt es eine Erläuterung zu § 117 Abs. 3 a) transparenz in der "Orientierungshilfe zur Gesamtplanung" der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger (BAGüS).
    Mit dem SGB IX weist der Gesetzgeber auf eine partizipative Gestaltung aller Verfahren hin. Daran sollen sich alle Beteiligten orientieren. Die Praxis folgt dem bislang nur teilweise und langsam. Für die Einsicht in ein Gutachten, dass Aktenbestandteil ist/wird kann auf das Recht zur Akteneinsicht zurückgegriffen werden. Wünschenswert wäre selbstverständlich die Bereitschaft zu Kommunikation und schneller Information.

    Wiebke , Sie schrieben: "..Wenn ich sage, die Bedarfsermittlung beginnt bei HausärztInnen und Krankenkassen, meine ich dass hier der Grundstein für den Anstoß von Bedarfsermittlungen liegt" Das halte ich für inhaltlich falsch. Empirische gesehen waere diese Form der Ermittlung und Beratung weder mit den Abrechnungsprocedere der Hausarztpraxen vereinbar, noch verfügen Hausärzte dazu über strukturell notwendige Bildung im Sozialrecht. Oder sollte es in den letzten 2 Jahren eine massive Aufklärungskampagne zum SGB 9 in Hausarztpraxen gegeben haben? Dann bitte ich um eine Quelle dazu. :)

    Hallo,
    ich habe den Hinweis von Frau Denner auf Hausärzte und Krankenkassen auf den Begriff „Bedarfserkennung“ bezogen. Das sollte dann vom Begriff und Verfahrensschritt der Bedarfsermittlung getrennt betrachtet werden. Ansonsten trägt das nicht zur Klärung bei. Hausärzte und Krankenkassen sollten natürlich ebenfalls getrennt betrachtet werden. Mir sind Hausärzte bekannt die im Rahmen der Patientenberatung auch auf Programme für chronisch Kranke und auch auf Möglichkeiten der Rehabilitation hinweisen. Sozialisten für eine vertiefte Beratung sind sie in der Regel nicht. Dafür gibt es im System andere Verantwortliche.
    Zur „Aufklärungskampagne“ für Hausärzte (die mir ebenfalls nicht bekannt ist) wäre ich in meinem Arbeitsbereich sehr froh wenn sicher wäre dass zumindest die Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst informiert wären!
    Wenn ich mir den Bereich der Kinder- und Jugendmedizin ansehe ist aber auch vorstellbar das ein System der frühzeitigen „Intervention“ denkbar ist. Ob dass jedem Teilnehmer im Verfahren des Zugangs zu Leistungen der Rehabilitation gerecht wird wäre eine nähere Betrachtung/Untersuchung sicher wert.

    Hallo Sonnenschein,
    das Lob für Projekt und Instrument BEI-NRW kann nach meiner Erfahrung auf viele neue Verfahrensweisen und dazu entwickelte Instrumente zur Bedarfsermittlung verschiedener Leistungsträger übertragen werden. Hier gibt es viele gute Entwicklungen wie zum Beispiel in Berlin oder in Hessen. Alle haben sich auf den Weg gemacht die eigene Rolle entlang den neuen rechtlichen Anforderungen zu prüfen und wo nötig zu verändern. Die Erkenntnis dass Struktur, Organisation und praktische Anwendung der Bedarfsermittlung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Leistungsträgern und Leistungserbringern als wesentliche Kontextfaktoren wirksam sind greift so hoffe ich auch weiter um sich.


    Damit zur Kritik: der (mögliche) Kulturwandel der mit UN-BRK, Nutzung der ICF und dem BTHG selbst angestoßen wird als potentiell großen Fortschritt. Kulturwandel erfordert eine Haltung die allen Beteiligten viel abverlangen kann. Die damit verbundene Anstrengung verteilt sich bei den Beteiligten recht unterschiedlich. Die „traditionelle“ Haltung in Behörden muss dabei kritisch betrachtet werden. Diese (selbst-)kritische Kultur leisten wir bei einem überörtlichen Träger der EGH täglich.

    ICF basierten Bedarfserhebungsinstrumente:


    FRAGE: Sind mittlerweile diejenigen Bedarfe, die für behinderte Studierende bei einem Hochschulstudiums entstehen, angekommen? Damit ist nicht nicht persönliche Assistenz gemeint, sondern Hardware, Bücher, Hochschulgebühren, eventuell Übernahme von Praktikums Kosten, obligatorischen Exkursionen, Nachhilfe etc.integriert worden ?
    Als das letzte Mal die Befragungsbögen las, schien ICF von einer alle behinderten Gruppen übergreifenden kognitiven Einschränkung auszugehen, aktuelle Such Ergebnisse zu ICF und Hochschulstudium verweise allesamt auf über 9 Jahre alte Quellen.


    Man muss bedenken dass aufgrund der gesundheitlichen Belastung Situation für viele beeinträchtigte Studierende "Jobben" als zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit wegfällt und für wahrnehmungsdiverse oder mobilitätseingeschränkte Studierende die an vielen ecken und enden mangelnde Barrierefreiheit Jobben auch in der Uni selber verhindert.

    Hallo Rosa Nera,
    die Instrumente zur Bedarfsermittlung sind immer nur so gut wie es die Erfahrung und Kenntnis der Anwender*innen zulassen! Als Mitarbeiter eines überörtlichen Trägers der EGH gehe ich davon aus dass die Bedarfsermittlung umfassend erfolgt und alle Bedarfe die im Zusammenhang mit einem Studium eine Rolle spielen durch die eingesetzten Fachkräfte berücksichtigt werden. Um Teilhabe und den Ausbildungserfolg sicherzustellen sind alle möglichen spezifischen Leistungen im Rahmen der Bedarfsermittlung zu erfassen. Dazu gehören nach den Neuregelungen durch das BTHG allerdings keine existenzsichernden Leistungen.

    Ergänzend zu den vorhandenen Beiträgen die Darstellung des Verfahrens der Bedarfsermittlung bei einem überörtlichen Träger der EGH. Im Beitrag von Hr. Schmitt-Schäfer ist die Variante bei örtlicher Zuständigkeit (wie in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Niedersachsen, und weiteren) bereits beschrieben. In Hessen wurde/wird eine Struktur aufgebaut die sicherstellt dass die Bedarfsermittlung im Rahmen des Gesamtplanverfahrens durch erfahrene sozialpädagogische/pädagogische Fachkräfte durchgeführt wird. Dies gilt für alle ersten Ermittlungen, also bei erstmaligem Antrag auf Leistungen. Bei der Fortschreibung von Leistungen erfolgt die Bedarfsermittlung durch die Leistungserbringer (in besonderen Wohnformen, bei Leistungen zum Wohnen außerhalb bes. Wohnform, bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) - und zwar in 90 % aller „Fälle“. !0 % der Fortschreibungen werden durch den Fachdienst des Leistungsträgers durchgeführt. Ausnahme von diesem Verfahren sind Leistungen in Form eines Persönlichen Budgets. Hier wird die Bedarfsermittlung zur Fortschreibung immer durch den Fachdienst des Leistungsträgers durchgeführt!
    Die Feststellung des Bedarfs, die Aufstellung des Gesamtplans und die Bescheiderteilung liegen in der Verantwortung der Verwaltungskräfte. Die Aufgaben der Bedarfsermittlung und Bescheiderteilung werden durch verschiedene Organisationseinheiten durchgeführt.
    Die bisher zur Bedarfsermittlung eingesetzten Instrumente werden in einem zweijährigen Umstellungsprozess durch ein einheitliches Instrument ersetzt werden.
    Im Gesamtplanverfahren - als systematischem Arbeitsprozess - werden alle verfügbaren Informationen ermittelt und in den einzelnen Verfahrensschritten zur Verfügung gestellt. Insofern ist es nicht erforderlich alle denkbaren beteiligten Akteure in einem Termin zusammenzuführen. Dies wäre wahrscheinlich auch zum Scheitern verurteilt! Sind weitere diagnostische Informationen erforderlich (z. B. Durchführung von Testverfahren) werden diese Aufgaben i.d.R. an extern Stellen vergeben.
    Ansonsten gilt, wie in den obigen Beiträgen bereits ausgeführt, dass bei der Bedarfsermittlung neben der leistungsberechtigten Person eine Person des Vertrauens, ggfs. Unterstützer bei Bedarf UK oder Gebärden- oder Sprachdolmetscher und die rechtl. Betreuung beteiligt sein können. Bei der Beteiligung weiterer Personen muss berücksichtigt werden ob eine Bedarfsermittlung tatsächlich durchführbar ist. Dies stößt im Hinblick auf die Zahl der Beteiligten an Grenzen!

    Grundsätzlich würde ich sagen das der Gesetzgeber günstige Voraussetzungen im SGB IX für eine Selbstbestimmte Teilhabe geschaffen hat. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) hat trägerübergreifende Leitlinien zur Bedarfsermittlung veröffentlicht. Diese finden sich im -Konzept zur Bedarfsermittlung-. Darüber hinaus hat die BAR auch eine wichtige Funktion auf Ebene der untergeordneten Gesetzgebung. Diese entfaltet ihre Wirksamkeit u.a. in den gemeinsamen Reha-Empfehlungen -Reha-Prozess Gemeinsame Empfehlungen-, welche rechtsverbindlich ist. Letztendlich kommt es darauf an sich diese Erkenntnisse und Vorschriften anzueignen und auf deren Umsetzung im Reha-Prozess hinzuwirken.

    Der Aussage stimme ich unumwunden zu. Wir alle haben auch die Erfahrung machen können dass ein Gesetz anhand der damit gemachten gemachten Erfahrungen einer Reform unterzogen wird und neue positive Entwicklungen dabei möglich werden. Allein der Aufbau einer neuen Beratungsstruktur (EUTB) ist eine wesentlicher Schritt in Richtung tatsächlicher Teilhabe von Anfang an! Das diese Beratungsmöglichkeit als erforderlich erkannt wird wirft ein Licht auf die realen Bedingungen bei der Aneignung von Erkenntnissen und Vorschriften. Da sind viele Kolleg*innen in den Verwaltungen der Reha-Träger selbst keine leuchtenden Vorbilder! Das wird also ein langer Prozess der Veränderung sein müssen!

    Zur Zeit finden Bedarfsermittlungen vor Ort nur statt soweit dies nicht verfechtbar ist! Zur Vermeidung unnötiger Risiken werden einzelne Vorgänge danach beurteilt ob ein persönlicher Kontakt tatsächlich erforderlich ist. Soweit eine Empfehlung/Entscheidung nach Aktenlage vertretbar ist wird diese Form der Bearbeitung gewählt.
    Ist ein Vor-Ort-Termin notwendig werden mit Antragsteller*innen notwendige Vorkehrungen besprochen. Soweit der Schutz aller am Gespräch beteiligten gewährleistet werden kann steht einer persönlichen Bedarfsermittlung nichts entgegen. Diese Regelung gilt für den überörtlichen Träger der EGH in Hessen. Mir ist bewusst dass andere EGH-Träger möglicherweise andere Regelungen vorsieht.