Beiträge von Axel Landgraf

    Hallo Kevin,


    ich möchte noch einen Gedanken aus dem Verfahrensrecht einbringen, nämlich die Zusicherung (§ 34 SGB X).


    Du schreibst, dass die Agentur Dir erst weiterhilft, wenn Du quasi einen Arbeitsvertrag vorliegst. Das ist letztlich rechtlich nicht verbindlich. Es gibt durchaus die Möglichkeit, dass sich die Agentur hier schriftlich festlegt. Das kenne ich vom Rentenversicherungsträger, wenn für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ein Eingliederungszuschuss (Lohnkostenzuschuss) angeboten wird. Die Höhe und Dauer ist dann meist mit dem Träger abzustimmen. In meiner Praxis kommt dies beispielsweise auch bei Leistungen der Wohnungshilfe vor, wo ich eine schriftliche Zusicherung anhand der kalkulierten Baukosten (meist über Sachverständige) absende. Am Ende schaue ich dann anhand der Gesamtkosten, ob alles passt. Dann wird der Gesamtanspruch festgestellt. Die Zusicherung schafft Vertrauen, weil es letztlich eine verbindliche und damit rechtswirksame Festlegung des Kostenträgers für die Betroffenen ist.


    Vielleicht ließe sich bei den Trägern ja auch mal eine Zusicherung abtrotzen, wo die Ausführung der Leistung dann über ein persönliches (ggf. trägerübergreifendes) Persönliches Budget erfolgt?


    Axel Landgraf
    Reha Manager der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege München

    Die Vorteile eines persönlichen Budgets (PB) sehe ich in der eigenverantwortlichen und unbürokratischen Leistungserbringung insbesondere für "kleinere Budgets" (z.B. Haushaltshilfe, Fahrkosten, Therapiekosten). Ein Grundbescheid sollte den eigentlichen Anspruch festhalten; die Ausführung sollte dann mit einem öffentlich rechtlichen Vertrag anhand der Bedarfsermittlung (z.B. Fahrtstrecke bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit der durchschnittlichen Nutzung pro Monat) erfolgen.
    Es geht hier um "Augenhöhe", d.h. es gibt m.E. nach kein "Über-Unterordnungsverhältnis" wie bei einem "Ausführungsbescheid", sondern ein gleichrangiges Vertragsverhältnis. Es müssen also Rechte und Pflichten passend vereinbart werden mit der Möglichkeit auch der Beendigung des Vertrages für ein PB von beiden! Seiten. Ich habe auch schon PB Verträge auf Probe für 6 Monate geschlossen, wenn der Bedarf noch nicht so eindeutig einzuschätzen ist (z.B. bei Pflege/Assistenz). Die Zweckbindung muss naturgemäß immer in einem solchen Vertrag mit einfließen, im Gegenzug die Zahlungsverpflichtung des Kostenträger (meist mit einem Dauerauftrag). Eine pro aktive Beratung für ein PB mit öffentlich rechtlichen Vertrag schließt natürlich ein, dass ich dem Versicherten bzw. dem Anspruchsberechtigten vertraue. Das hat m.E. nach etwas mit Haltung und Einstellung zu tun. Die Zweckbindung muss naturgemäß der Versicherte nachweisen, das ist aber m.E. nach kein Problem in der Praxis vor allem am Ende der Vertragslaufzeit von max. 2 Jahren.


    Was ich nicht verstehe, warum nicht auch andere Träger das Instrument der Teilförderung nach § 35 Abs. 3 SGB VII (Bereich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) erhalten. Hier kann ich in der gesetzlichen Unfallversicherung flexibel auf berechtigte Wünsche der Betroffenen eingehen, wenn eine höherwertige Qualifizierung gewünscht wird, wo über das bisherige Maß der Leistungserbringung hinausgeht (z.B. Studienförderung). Dies erfolgt immer anhand eines öffentlichen rechtlichen Vertrages und hat damit den Charakter eines PB. Dabei werden die Kosten einer sogenannten Referenzmaßnahme ermittelt (z.B. Umschulung) und z.B. auf die Zeit einer höherwertigen Maßnahme (z.B. Studium) kapitalisiert mit regelmäßigen Monatsbeträgen ausgezahlt. Bei anderen Trägern bleibt da nur der Verweis auf BaföG, schade!


    Axel Landgraf
    Reha Manager der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege

    Grundsätzlich ist bei Sachleistungen außerhalb der gesetzlichen Unfallversicherung ein Antrag erforderlich (§ 19 SGB IV). Ich verstehe Ihre Anfrage so, dass bereits dem Grunde über die Pflegeleistungen, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben etc. entschieden worden ist. Dazu ist ein Grundbescheid erforderlich. Die Ausführung kann dann im Rahmen eines persönlichen Budgets (PB) erfolgen. Ich arbeite als Reha Manager bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und wir beraten pro aktiv.


    Zum Thema Pflege:
    Die Budgets für Pflege sind aufwendiger, weil die Pflege aus meiner Sicht naturgemäß immer auch Schwankungen unterworfen sind, sei es mit zwischenzeitlichen stationären Behandlungen und/ oder von Ausfall von Pflege- bzw. Assistenzkräften. Daher biete ich meist ein Probebudget an, wo mit einer Schwankungsreserve erstmal geschaut werden kann, wie sich die Kosten entwickeln. In der Regel schauen wir dann uns einen Zeitraum für ein Probebudget von 6 Monaten an. Dann folgt vor Ende des Probebudgets ein weiteres persönliches Gespräch um zu beurteilen, ob alles passt. Dann wird der Aufwand in ein reguläres Budget umgewandelt bis zu weiteren 2 Jahren. Eine trägerübergreifende Regelung im Rahmen eines PB finde ich schwierig, weil bis zu 3 Träger involviert sein können (BG, Krankenkasse, Pflegekasse), insbesondere wenn Grundpflege nach SGB XI und Behandlungspflege nach SGB V gemischt erforderlich sind. Wir arbeiten in diesen Fällen dann mit externen Pflegegutachtern zusammen, da dies häufig Fälle mit schwieriger Wundversorgung und Dekubitus sind und wir eine Qualitätssicherung betreiben müssen. Pflegekassen nutzen den MDK, leider im Moment nur mit Telefoninterviews pandemiebedingt!
    In diesen Fällen mit "gemischerter Kausalität" zahlen wir dann einen Teil der Kosten, die unfallbedingt erforderlich ist. Ich habe dies allerdings erst in einem Einzelfall mit der Kranken- und Pflegekasse hinbekommen. Ich halte dabei die verschiedenen Leistungsgrundsätze für problematisch. Bei der Kranken- und Pflegekasse bzw. der Sozialhilfe besteht das Notwendigkeitsprinzip, d.h. viele Leistungen sind pauschaliert bzw. gedeckelt (z.B. Wundversorgung). Das ist bei der gesetztlichen Unfallversicherung anders. Dort gilt der Leistungsgrundsatz "Reha mit allen geeigneten Mitteln". Das heißt konkret: Wir stellen grundsätzlich die Leistungen der med. und beruflichen Reha/Pflege bereit, die passend in Bezug auf die Rehabilitations- und Pflegeziele sind. Das geht m.E. nach dann mit den Grundsätzen der Anderen Träger kaum zusammen...
    Daher sind bei meinem Arbeitgeber und in der Gesetzlichen Unfallversicherung an sich die trägerübergreifenden persönlichen Budgets so gut wie gar nicht vorhanden. Andere Träger kommen in der Praxis auch nicht auf mich aktiv zu. Wir haben dies meist selbst mit anderen Trägern angeregt. In das PB sollten insbesondere bei fehlender kognitiver oder psychischer Eignung auch Betreuungsdienste (z.B. Steuerberatungskosten bei AG Modell) mit finanziert werden, die im gewissen Umfang die erforderlichen Zuarbeiten leisten. Das kalkulieren wir in unseren Budgets mit, meist mit Pauschalen.


    Bei den anderen Teilbereichen wie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bzw. der med. Reha gibt es auch persönliche Budgets insbesondere bei Sachleistungen wie Fahrtkosten, Verpflegungsgelder bzw. Hilfe im Haushalt/ Haushaltshilfe. Insgesamt hat die Gesetzliche Unfallversicherung im Jahr 2019 insgesamt 3.374 PB bewilligt, wobei 3.305 Anträge gestellt worden sind, im Jahr 2020 wurden 3.702 PB bei 3.692 Anträgen bewilligt.


    Axel Landgraf
    Reha Manager der BGW München