Beiträge von f_schumann

    Für solche sehr differenzierten, individuellen Bedarfe können Studierendenwerke und Hochschulen keine Vorsorge treffen bzw. notwendige Hilfen in einem solchen weiten Mehrbedarfsfeld zur Verfügung stellen. Diese Hilfen müssen personenzentriert und aus einer Hand organisiert werden. Das entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Dies betrifft auch die Finanzierung dieser Hilfen. Hier erscheint nur eine Förderung im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe an der Bildung gemäß §112 SGB IX (Hochschulhilfe) möglich, zu deren leistungsberechtigten Personenkreise Studierende mit Beeinträchtigungen gehören.

    Vielen Dank, Michaela! Das ist ein wichtiger Punkt. Ich werde den entsprechenden Paragrafen an die Beauftragten für Studierende mit Behinderung für deren Stellungnahmen weitergeben.


    Leider geben die Träger der Sozialleistungen die Verantwortung oft an die Hochschule zurück. Sie denken wahrscheinlich oft an das Hochschulgesetz NRW §53, 2, 5, wonach die Hochschule "angemessene Vorkehrungen" treffen sollen. Am Ende schieben sich Hochschule und die Träger die Verantwortung zu und die Studierenden leiden unter der massiven Verzögerung einer Bewilligung.


    Das Modell eines Assistenzpools an den Hochschulen, wie wir es an der Uni Köln haben, ist ein ambivalentes Angebot.

    a) Einerseits bleiben ohne das Angebot die Studierenden lange ohne Unterstützung und können ihr Studium nur schwer realisieren.

    b) Andererseits mussten wir feststellen, dass die Kapazität universitärer Assistenz, beispielsweise durch studentische Hilfskräfte, die Bedarfe der Studierende, welche auf die Genehmigung einer Eingliederungshilfe warten oder zunächst eine Ablehnung erhalten haben, nicht decken können. Studierenden kann infolgedessen leider nicht immer eine Assistenz gestellt werden. Und es ist denkbar, dass die Bereitstellung universitärer Assistenz die Beantragung auf Eingliederungshilfe beeinflusst und vielleicht sogar beeinträchtigt.

    -> Gibt es hier noch andere Erfahrungswerte?


    Außerdem besteht das Problem, dass Studierende nur Eingliederungshilfe erhalten, sofern sie die Leistung nicht von anderen Trägern anderer Sozialleistungen erhalten (SGB IX §91 Nachrang der Eingliederungshilfe). Oftmals wird seitens der Rehabilitationsträgern die Bereitstellung universitärer Assistenz als eine solche Leistung aufgefasst.

    -> Wie ist dieser Gesetzestext einzuschätzen?

    Einige Prüfungsämter argumentieren, sie verhielten sich gegen deutsche Rechtsprechung, wenn der Nachteilsausgleich bei AD(H)S und bei anderen psychischen Beeinträchtigung bewilligt werde, da sich diese Beeinträchtigung auf die Leistungsfähigkeit auswirken würden und nicht lediglich auf die Darstellungsfähigkeit. So ähnlich hatte nach dem VG Würzburg u.a. im Juni 2021 das OVG Lüneburg entschieden.

    Rechtsprechung | Nds. Landesjustizportal - Dokument: OVG Lüneburg 2. Senat | 2 LA 461/20 | Beschluss | Nachteilsausgleich bei Prüfungsleistungen wegen eines Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms (ADS) | Langtext vorhanden


    Dabei lässt sich weder mit...

    a) dem Fehlen einer solchen Prüfungserwartung in den Prüfungsordnungen

    b) der Nicht-Beeinträchtigung von zu prüfenden Inhalten durch die nachteilsausgleichenden Maßnahmen

    c) der Benachteiligung von einer großen Gruppen von Menschen mit Behinderung wider Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG

    d) der generellen Möglichkeit eines Nachteilsausgleichs wie z.B. Schreibzeitverlängerung, auch für Blinde oder Hauterkrankte, deren Aufmerksamkeit ja auch beeinträchtigt ist

    e) noch der gegebenen intellektuellen Fähigkeit, einen Sachverhalt zu strukturen und ein Problem wissenschaftlich zu lösen, wenn z.B. eine Zeitverlängerung gegeben ist,

    ...argumentieren.


    Die Prüfungsämter befürchten dem gegenüber vor allem gegen deutsche Rechtsprechung zu handeln oder Überkompensation durch einen Nachteilsausgleich und damit die Benachteiligung von Studierenden ohne Nachteilsausgleich. In Anbetracht der guten Argumente a)-e) löst das auch wütende Anteile in mir aus, weil so ignorant gehandelt wird.


    Unabhängig der hochkochenden Emotionen frage ich mich jedoch:

    Gibt es inzwischen auch Urteile, die pro Nachteilsausgleich bei AD(H)S und Beeinträchtigungen von Konzentration, Aufmerksamkeit,... entschieden wurden?


    Beste Grüße

    Frieder Schumann


    Servicezentrum Inklusion | Abteilung 21 | Universität zu Köln

    E-Mail f.schumann@verw.uni-koeln.de