Beiträge von Tanja Ergin

    Ein zentraler Bestandteil des Projektes "KI Kompass inklusiv" ist die Etablierung eines beratenden inklusiven Begleitgremiums mit aktiver Beteiligung von Menschen mit Behinderungen. Dadurch sollen Projektprozesse fortlaufend durch die Perspektiven von Expert*innen in eigener Sache begleitet und ergänzt werden. Flankierend werden im Querschnitt fortlaufend ethische Aspekte beleuchtet sowie Barrierefreiheit in der Projektdurchführung aber auch in der Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in unterschiedlichen Zusammenhängen (z.B. Technologieentwicklung) thematisiert.


    In der beruflichen Rehabilitation schreitet die Digitalisierung wie in allen Bildungsbereichen unaufhaltsam voran. Insbesondere für Berufsbildungswerke gilt der Grundsatz "Pädagogik kommt vor Technik". Digitale Unterstützungsmöglichkeiten für Ausbildungsinhalte müssen sinnvoll ergänzend eingesetzt werden, um die Rahmenbedingungen und Ergebnisse für die Lernenden zu verbessern. Dafür ist vor allem der Aufbau digitaler Kompetenzen auf Seiten der Rehabilitant*innen und Fachkräfte zentral für eine gelingende Umsetzung bzw. Implementierung. Dafür sind Fortbildungsangebote wichtig, die auf die Zielgruppe eingehen. Davon gibt es noch nicht sehr viele. Die BAG BBW hat z.B. im Januar 2023 für über 200 Fachkräfte aus den Berufsbildungswerken eine virtuellen Tagung umgesetzt, in der 12 Workshops zur Fortbildung angeboten wurden. Der Bedarf ist riesig, es braucht jedoch fortlaufende und flächendeckende Fortbildungsformate.


    Gleichzeitig ist die technische Ausstattung unverzichtbar, und diese ist nach der Anschaffung relativ schnell wieder veraltet und daher kostenintensiv. Dafür braucht es eine entsprechende Finanzierung, die bisher in den Kostensätzen für Reha-Maßnahmen so nicht abgebildet sind. Hier müssen sich die Reha-Träger noch bewegen.


    Nur mit Investitionen in die digitale Transformation in der beruflichen Reha können wir alle Neuerungen, die wir durch die Corona-Pandemie beschleunigt angestoßen haben, nachhaltig und konzeptionell bzw. pädagogisch klug fortsetzen.

    Auf der Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und nach Artikel 3 des 3 deutschen Grundgesetzes haben Menschen mit Behinderung das Recht auf eine barrierefreie Gestaltung ihrer Umwelt. Der Begriff „Barrierefreiheit“ ist umfassend und meint sehr viel mehr als Rampen oder Toiletten: Arbeit und Weiterbildung, Arztbesuch und Krankenhausaufenthalte, Sport im Verein, kulturelle Events usw. sind Bereiche, die einen barrierefreien Zugang erfordern.


    Seit 2009 ist die UN-BRK in Kraft und bis heute ist Barrierefreiheit leider keine Selbstverständlichkeit. Verbessern ließe sich das etwa damit, dass Barrierefreiheit zur Grundvoraussetzung für die Vergaben von öffentlichen Fördermitteln wird, wie es jetzt für die Themen Klima und Nachhaltigkeit gefordert oder teilweise umgesetzt wird. Gerade bei der Digitalisierung ist es wichtig, dass Barrierefreiheit bereits in der Planung und Programmierung berücksichtigt und umgesetzt wird. Auch hier ist es überfällig, Barrierefreiheit bei Ausschreibungen vorauszusetzen. Auch etwa Forschungsprojekte im Bereich der künstlichen Intelligenz müssen digitale Barrierefreiheit als Teilhabe-Technologie der Zukunft beachten.


    In der Arbeitswelt werden durch die Digitalisierung in nahezu allen Berufen schon heute digitale Kompetenzen und eine entsprechende Infrastruktur über die Teilhabe von Arbeitnehmer*innen am Arbeitsleben entscheiden. Vor allem für Menschen mit Behinderungen sind deshalb eine barrierefreie digitale Infrastruktur, barrierefreie Assistenztechnologien sowie Kompetenzschulungen unverzichtbar.


    Der optimale Einstieg ins Arbeitsleben beginnt mit einer Ausbildung, in der digitale Kompetenzen ebenso zum Anforderungsprofil gehören. Der Erwerb und die Vermittlung digitaler Kompetenzen auch und gerade im Bereich der praktischen Berufsausbildung ist zwingend nötig. Berufsbildungswerke qualifizieren seit Jahren, über unterschiedliche Förderungsmöglichkeiten für digitales sowie mediales Lernen und Lehren, Rehabilitand*innen und Mitarbeitende. Bisher hat jedoch kein Bundesprogramm die Bedarfe von Jugendlichen in außerbetrieblichen Ausbildungen im Blick gehabt.


    Die BAG BBW fördert ebenfalls über Modellprojekte wie KI ASSIST oder EdAL MR 4.0 verschiedene innovative Ausbildungsmöglichkeiten, um über die Regelausbildung hinaus zusätzliche Qualifizierungen zu ermöglichen. Die dafür nötigen Fördermittel stehen jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung, die Verstetigung bleibt für Reha-Einrichtungen eine Herausforderung.


    Vor diesem Hintergrund setzt sich die BAG BBW für einen „inklusiven Digitalpakt für Berufliche Bildung" bzw. eine Förderstruktur zum Aufbau digitaler Kompetenzen und Infrastruktur für außer-, über- und innerbetriebliche Ausbildung ein, die den Aspekt der Barrierefreiheit berücksichtigt. Damit werden Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderungen beim Erwerb digitaler Kompetenzen unterstützt und auf die Anforderungen am Arbeitsmarkt adäquat vorbereitet.


    Barrierefreiheit ist der Schlüssel zur beruflichen Teilhabe, auch und gerade in einer digitalen Arbeitswelt. Bei den anstehenden Transformationsprozessen müssen Menschen mit Behinderungen mitgenommen werden. In einer Zeit, in der täglich vom Fachkräftemangel berichtet wird, sollte das selbstverständlich sein. Dazu wollen Leistungserbringer der beruflichen Rehabilitation gemeinsam mit weiteren Akteur*innen einen Beitrag leisten – erneut mithilfe von Fördermitteln des Bundes: Mit dem Projekt KI-KOMPASS Inklusiv soll in den kommenden 5 Jahren unter der Förderung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ein Kompetenzzentrum für KI-gestützte Assistenztechnologien und Inklusion im Arbeitsleben aufgebaut werden, um Menschen mit Behinderungen, Leistungserbringer, Unternehmen und weitere Stakeholder bedarfsorientiert und praxisnah in Bezug auf die Erprobung und Einführung KI-gestützter Assistenztechnologien zu informieren, zu beraten und zu unterstützen. Am Projekt beteiligt sind der Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke und die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen. Die BAG BBW wird insbesondere die Qualifizierung und Schulung des Fachpersonals organisieren sowie die Vernetzung mit Arbeitgebern und weiteren Akteuren vorantreiben.

    Hier wurden bereits alle wesentlichen Knackpunkte, die den bisherigen Erfolg eines gut gemeinten jedoch zu zaghaft umgesetzten Instruments verhindern, ausgeführt. Vor allem die bisherige Einengung der Zielgruppe zeigt, wie mutlos der Gesetzgeber bisher die Übergänge von Menschen mit Behinderungen in Beschäftigung angegangen ist. Die Weiterentwicklung des "Budget für Arbeit/Ausbildung" zu einem "Budget für Bildung" für alle Menschen mit Behinderung - unabhängig welchem Rechtskreis sie zugeordnet sind - muss in dieser Legislaturperiode endlich kommen. Damit die hier in den Beiträgen geforderten flexiblen und modularen Qualifizierungsangebote flächendeckend entstehen können.


    Tendenzen, wie sie aus einigen Bundesländern jetzt zu hören sind, das "Budget für Arbeit/Ausbildung" in die Ausschreibung zu bringen, müssen unbedingt verhindert werden. Das ist der Anfang vom Ende einer individuellen und passgenauen Förderung von Menschen mit Behinderungen.

    Das zum 01. Januar 2020 eingeführte „Budget für Ausbildung“ ist vom Grundsatz gut und richtig, läuft aber in seiner jetzigen Ausgestaltung noch ins Leere. Bis heute gibt es bundesweit Budgetnehmer*innen im unter zweistelligen Bereich. Das liegt aus unserer Sicht an der aktuellen Beschränkung des Instruments auf den leistungsberechtigten Personenkreis der Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Leistungen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich der Werk-stätten für behinderte Menschen haben. Das greift leider zu kurz und verfehlt das Ziel, den Ausbildungsmarkt nachhaltig inklusiver zu machen.


    Ein „Budget für Ausbildung“ kann nur wirken, wenn es allen Jugendlichen mit Reha-Status zur Verfügung steht. Also neben Werkstattbeschäftigten, die eine Ausbildung beginnen wollen, sind insbesondere junge Menschen mit Behinderungen eine weitere Zielgruppe für das Budget für Ausbildung, die im Anschluss an ihre Schulbildung eine berufliche Orientierung anstreben. Es muss sich auf alle Formen der Ausbildung nach § 1 BBiG beziehen. Dazu gehören etwa Modelle der beruflichen Bildung, die Inklusion und Betriebsnähe miteinander verknüpfen.


    Warum können Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation das „Budget für Ausbildung“ nicht anwenden? Junge Menschen mit Behinderung, für die die Unterstützung eines Berufsbildungswerks passgenau ist, erhalten dort die Chance auf inklusive betriebliche Ausbildungsanteile und zukunftsfähige Teilhabe. Berufsbildungswerke tragen durch ihre pädagogischen, psychologischen sowie medizinischen Fachkräfte umfassend dazu bei, dass der Ausbildungserfolg von jungen Menschen mit Behinderungen nachhaltig gesichert wird.


    Tatsächlich sind die Berufsschulen der Berufsbildungswerke im „Budget für Ausbildung“ aktuell berücksichtigt. Das ist sehr zu begrüßen. Auszubildende, die mit einem „Budget für Ausbildung“ eine betriebliche Ausbildung machen, sollen in den BBW-Berufsschulen die theoretischen Anteile absolvieren können. Bisher sind uns bundesweit keine Budgetnehmer*innen bekannt, die in Berufsschulen der Berufsbildungswerke diese Möglichkeit wahrnehmen.


    Zusammenfassend kann aus unserer Sicht das „Budget für Ausbildung“ das in § 8 SGB IX verankerte Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten nur dann wirksam stärken, wenn

    • der leistungsberechtigte Personenkreis über anspruchsberechtigte Personen nach § 57 SGB IX hinausgeht,
    • persönliche Assistenzleistungen umfassend gesichert sind,
    • das Budget alle Formen der Ausbildung nach § 1 BBiG beinhaltet, die Möglichkeit der Ausbildung in einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation nach § 51 SGB IX nicht ausgeschlossen wird.

    Ziel sollte ein erweitertes „Budget für Bildung“ sein, dass mehr Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Beeinträchtigungen eröffnet. Ein solches Budget soll alle Formen der Ausbildung nach § 1 BBiG beinhalten und die Möglichkeit der Ausbildung in einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation nach § 51 SGB IX nicht ausgeschlossen werden.