Beiträge von Daniel Hlava

    Auf Grundlage der Landesbehindertengleichstellungsgesetze wurde von den dort ebenfalls enthaltenen Möglichkeiten, eine Verbandsklage zu erheben, gleichfalls nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht. Mir ist nur ein Urteil aus dem Jahr 2003 zu einer Verbandsklage bekannt, welche die Barrierefreiheit eines Denkmals in Berlin zum Gegenstand hatte.


    In der Evaluation des novellierten Behindertengleichstellungsgesetzes wird zudem von einem weiteren Verbandsklageverfahren (in Bremen) berichtet, bei dem es um die bauliche Barrierefreiheit eines öffentlich zugänglichen Gebäudes ging. Hier kam es jedoch zu keinem Urteil, da das Verfahren mit einem Vergleich beendet wurde. Ein weiteres Verfahren, das E-Roller betrifft, ist nach den im Rahmen der Evaluation geführten Interviews derzeit vor Gericht anhängig (dazu Evaluation des novellierten BGG, S. 160).

    Wer sich von einem (Behinderten-)Verband bei der Durchsetzung ihrer/seiner Rechte durch eine (von Christina Janßen oben beschriebenen) Prozessstandschaft oder allgemein durch eine - nicht auf den Einzelfall bezogene - Verbandsklage unterstützen lassen möchte, findet unter diesem Link eine Liste aller vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 15 Abs. 3 BGG dafür anerkannten Verbände:



    Daneben gibt es auch in den Landes-Behindertengleichstellungsgesetzen Rechtsschutzmöglichkeiten durch Verbände.

    Zu der umfassenden Antwort von Christina Janßen gibt es im Grunde nichts mehr hinzuzufügen. Ich möchte daher auch nur noch einmal bekräftigen, dass mangelnde Barrierefreiheit eine verbotene Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen sein kann. Für diejenigen Rehabilitationsträger, die sich an das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes halten müssen, ergibt sich das auch ausdrücklich aus § 7 Abs. 1 S. 4 BGG, wo eine solche Benachteiligung (widerleglich) vermutet wird, wenn gegen eine Pflicht zur Herstellung von Barrierefreiheit verstoßen wird.

    Abgesehen von den Bauordnungsvorschriften der Länder trifft teilweise auch das Sozialrecht Aussagen zur notwendigen Barrierefreiheit von Rehabilitationsdiensten und -einrichtungen. Gemeint ist damit nicht nur die Pflicht der Rehabilitationsträger, auf deren Barrierefreiheit hinzuwirken (dazu die Foren-Beiträge an anderer Stelle). Nach § 17 Abs. 2 SGB I haben Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderungen einen Anspruch darauf, bei der Ausführung von Sozialleistungen (insbesondere auch beim Arztbesuch) Gebärdensprache, lautsprachbegleitende Gebärden oder andere geeignete Kommunikationshilfen zu verwenden. Die notwendigen Kosten dafür (Dolmetscher*in) muss der zuständige Rehabilitationsträger übernehmen. Gleiches gilt für die Kommunikation mit dem Leistungserbringer in Leichter Sprache (§ 17 Abs. 2a SGB I).


    Daneben können sich aus den Qualitätsvorgaben gegenüber den Rehabilitationsträgern, aus dem jeweiligen Landeskrankenhausrecht oder anderen Bereichen weitere Verpflichtungen ergeben.


    Nicht zuletzt sind Einrichtungen und Dienste auch an das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gebunden. Dieses verbietet die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen (für den Zivilrechtsverkehr in § 19 AGG geregelt). Eine solche unzulässige Benachteiligung liegt bspw. auch dann vor, wenn Menschen mit Behinderungen durch Barrieren vom Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen ausgeschlossen werden (dazu die Evaluierung des novellierten Behindertengleichstellungsgesetzes, BT-Drs. 20/4440, S. 78 f.). Zudem kann die Verweigerung von angemessenen Vorkehrungen zur Überwindung von (noch bestehenden) Barrieren auch im AGG als eine Form von Diskriminierung gesehen werden. In den beiden Evaluationen des Behindertengleichstellungsgesetzes und an vielen anderen Stellen wurde gefordert, dass dies im AGG ausdrücklich klargestellt werden sollte (wie es der Gesetzgeber übrigens für öffentliche Träger bereits in § 7 Abs. 2 BGG vorgenommen hat). Die BGG-Evaluationen aus den Jahren 2014 und 2022 finden sich hier:

    https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Forschungsberichte/fb-445.pdf?__blob=publicationFile&v=2

    https://dserver.bundestag.de/btd/20/044/2004440.pdf

    Außer dieser oben geschilderten Pflicht zur eigenen Barrierefreiheit, müssen die Rehabilitationsträger nach § 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I auch auf die Barrierefreiheit der Leistungserbringer (z.B. Reha-Kliniken, ambulante Reha-Dienste etc.) hinwirken. Diese allgemeine Vorgabe wird in § 36 Abs. 1 S. 2 SGB IX noch einmal aufgegriffen, wo es heißt, dass die Rehabilitationsträger darauf zu achten haben, „dass für eine ausreichende Anzahl von Rehabilitationsdiensten und -einrichtungen keine Zugangs- und Kommunikationsbarrieren bestehen“.

    Vielen Dank für die Frage, die zunächst mit einem klaren Ja beantwortet werden kann.


    Rehabilitationsträger sind, sofern sie zur Bundesverwaltung zählen (wie die bundesweit tätigen Krankenkassen, die Bundesagentur für Arbeit und die Deutsche Rentenversicherung Bund), an das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) gebunden. Im BGG gibt es in den §§ 7-12d verschiedene Regelungen zum Schutz vor Benachteiligungen und Barrierefreiheit im Kontakt mit den staatlichen Trägern. Vorgaben finden sich dort

    • zur baulichen Barrierefreiheit von (Behörden-)Gebäuden,
    • dem Recht auf die Verwendung von Gebärdensprache oder anderen Kommunikationshilfen im Umgang mit den Trägern,
    • dem Erstellen barrierefreier Bescheide und Vordrucke,
    • dem Einsatz von einfacher und leichter Sprache, die für Menschen mit einer sog. Geistigen oder einer seelischen Behinderung relevant ist und
    • der Verwendung barrierefreier Informationstechnik, also die barrierefreie Nutzbarkeit der Homepage eines Trägers, der von ihm bereitgestellten Apps etc., aber auch ein barrierefreies Intranet für die Beschäftigten des Trägers.

    Wenn Rehabilitationsträger keine Bundes-, sondern Landesbehörden sind, dann gelten für sie die jeweiligen Landes-Behindertengleichstellungsgesetze, die in jedem Bundesland existieren und oft ähnliche Regelungen wie das Bundes-BGG enthalten.


    Außerdem sind Rehabilitationsträger gleichzeitig auch Sozialleistungsträger, für die die allgemeinen Vorschriften des Sozialgesetzbuchs (SGB) I gelten. Dort verpflichtet sie § 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I darauf hinzuwirken, dass ihre „Verwaltungs- und Dienstgebäude frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren“ sein müssen. Die Formulierung als „Hinwirkungspflicht“ ist dabei leider etwas unglücklich gewählt und missverständlich. Es ist mehr als nur ein bloßer Programmsatz, nämlich eine echte Rechtspflicht der Rehabilitationsträger, die sogar über die Vorgaben des BGG hinausgehen. Die Pflicht zur Barrierefreiheit betrifft danach nicht nur „Neu-, Um- und Erweiterungsbauten“, woran § 8 Abs. 1 BGG anknüpft, sondern gibt den Rehabilitationsträgern auch auf, Barrieren in Bestandsgebäuden zu beseitigen, wie es ebenso von Art. 9 UN-BRK gefordert wird. Daneben gibt es teils noch Sondervorschriften im SGB IX. So haben die Rehabilitationsträger nach § 17 Abs. 4 SGB IX sicherzustellen, dass bei der Begutachtung durch Sachverständige keine Zugangs- und Kommunikationsbarrieren bestehen.


    Die Rehabilitationsträger sind als staatliche Träger übrigens auch an die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention gebunden.

    Die Vermittlung von Kenntnissen über die StW zu einem regelmäßigen und verpflichtenden Inhalt der Fortbildung von Vertragsärzten zu machen, wäre eine sehr gute Möglichkeit, um möglichst viele Praktiker zu errreichen.
    Neben einer Schulung der Fach- und Hausärzte durch die Kassenärztlichen Vereinigungen und Ärztekammern könnten sich auch die Sozialversicherungsträger stärker einbringen. Im Rahmen ihres allgemeinen Auftrags nach § 13 SGB I, die Bevölkerung über ihre Rechte und Pflichten - auch über die StW - aufzuklären, könnten sie bspw. Informationsmaterialien an die Ärzte versenden. Neben einer Aufklärung der Ärzte könnten so auch Flyer in der Arztpraxis ausgelegt werden, um die Patientinnen und Patienten auf die rechtlichen Möglichkeiten hinzuweisen.