Beiträge von LaDin

    Ich kann mich nur auf persönliche Eindrücke berufen, aber ich denke, auch diese spiegeln die vorhandenen Barrieren gut wider.

    Stichwort medizinische Reha: Die stationären Reha-Einrichtungen sind weder baulich, noch hinsichtlich Organisation und Ablauf der Reha sowie Kommunikation mit dem Patienten auf Menschen mit Behinderungen eingestellt. Ein persönliches Beispiel: mein Vater war nach Schlaganfall sehbehindert, halbseitig bewegungseingeschränkt, kognitiv eingeschränkt und nicht in der Lage längere Strecken selbständig zu laufen. Er war nach einer Prostatakrebsbehandlung zur Reha. Es scheiterte an einfachsten Sachen. Die Einrichtung konnte seinen Behandlungsplan leider nicht in größerer Schrift bereitstellen. Dadurch wusste er nicht, wann er welche Behandlung hat. Sie konnte auch niemanden abstellen, der ihn zu den Anwendungen begleitet hätte. Weiterhin sollte er an einem Ernährungsseminar teilnehmen: gemeinsames Kochen in der Lehrküche. Er, der nach seinem Schlaganfall seine linke Hand kaum bewegen kann, nur mit Festhalten stehen kann und sich neue Dinge maximal 10 Minuten merken kann. Die Einrichtung war in keiner Weise in der Lage, die Reha auf seine individuellen Voraussetzungen anzupassen. Es war ein Standardablauf für jeden, der natürlich davon ausgeht, dass der Patient außer seiner zu behandelnden Erkrankung keine Einschränkungen mitbringt. Und hier liegt schon das Grundproblem: die medizinischen Einrichtungen reflektieren ihr Vorgehen und ihre baulichen Gegebenheiten seltenst aus der Perspektive körperlich oder kognitiv beeinträchtigter Menschen.

    Oft wird Barrierefreiheit noch mit "rollstuhltauglich" (Wir haben doch einen Aufzug.) gleichgesetzt. Hörbehinderte, Sehbehinderte oder Menschen mit komplexen Behinderungen sind in den Standardabläufen nicht vorgesehen. Die Einrichtungen sind nicht in der Lage, sich flexibel an besondere Bedürfnisse anzupassen (angemessene Vorkehrungen), wo eine allgemeine Barrierefreiheit nicht herzustellen ist.

    Als selbst Hörgeschädigte erlebte ich zum Beispiel im Rahmen einer Cochlea-Implantat-Reha, dass ein Gruppenhörtraining regelmäßig in einer ehemaligen Teeküche der Klinik stattfand. Die Akustik darin war grottenschlecht - nur glatte Flächen, extremer Hall - der Raum war schlicht ungeeignet für die Hörtrainings. Trotzdem sah die Klinik hier kein Problem. Sind halt ziemlich wenig Räume da und man ist froh, überhaupt diesen Raum zu haben.

    Das ist eine Haltung, die mir leider oft begegnet.

    Weiterhin wurden gegen den Stress, den Hörbehinderte erleben Entspannungstrainings empfohlen. Ja, auf den ersten Blick sehr sinnvoll. Doch ein klassisches Entspannungstraining, bei dem leise Musik läuft und ein Trainer immer wieder leise Anweisungen gibt ("Sie spüren jetzt ihren linken Arm.") ist für stark Hörbeeinträchtigte kontraproduktiv. Die müssen sich dabei nämlich so sehr auf das Gesagte konzentrieren, dass sie sich überhaupt nicht entspannen können.

    Das sind jetzt einzelne Beispiele. Doch sie zeigen auf, dass die Einrichtungen noch in einer "One fits all"-Denkweise verhaftet sind, die Menschen mit Behinderungen/Einschränkungen nicht oder nur unzureichend einbezieht. Es wäre notwendig, dass die Einrichtungen der medizinischen Reha ihre baulichen Gegebenheiten, ihr Vorgehen bei der Behandlung, ihre Organisation und die Kommunikation mit den Patienten aus der Perspektive von Menschen mit unterschiedlichsten Beeinträchtigungen reflektieren. Dies wäre möglich, indem man Menschen mit verschiedensten Beeinträchtigungen die Reha-Abläufe erleben lässt und anschließend das Erlebte strukturiert auf Barrieren für die jeweilige Behinderungsart analysiert- eine Art "Mystery Shopping" für den Reha-Bereich.