Beiträge von Jeanette Oechsl

    Aus meiner Sicht als Beraterin sehe ich das Problem, dass das Teilhaberecht wirklich komplex und zum Teil unübersichtlich ist. Es gibt viele Beratungsangebote, die allerdings immer nur auf einen bestimmten Bereich spezialisiert sind. (In unserem Fall ist das die Gründungsberatung.) Es wäre extrem hilfreich - für die Berater:innen und die Betroffenen - wenn die Kommunikation zwischen den einzelnen Fachleuten und den Betroffenen einfacher wäre. Für eine einzige Auskunft war ich gestern zum Beispiel 1,5h in der Warteschleife der DRV...

    Es passiert immer wieder, dass Menschen vorgeschlagen wird, eine volle Erwerbsminderung zu beantragen, ohne dass sie im Vorfeld gut über die Konsequenzen für den Bereich Arbeit aufgeklärt werden, zum Beispiel in Reha-Kliniken. Da scheint es noch Bedarf nach mehr Beratung zu geben.


    Im Bereich der Existenzgründung/beruflichen Selbstständigkeit bedeutet eine volle Erwerbsminderung zum Beispiel, dass kein Anspruch auf Assistenzleistungen oder andere Förderungen besteht, obwohl eine selbstständige Tätigkeit eine gute Möglichkeit sein kann, weiter am Arbeitsleben teilzuhaben oder perspektivisch sogar ins Arbeitsleben zurück zu kehren. Bisher waren auch die Zuverdienstgrenzen sehr begrenzt, das hat sich seit diesem Jahr ja erfreulicherweise geändert.


    Erstaunlich ist auch, wie schwer es oft ist, den Status "voll erwerbsgemindert" wieder aufheben zu lassen, auch wenn die betroffene Person sich arbeits- bzw. erwerbsfähig fühlt. Woran liegt das?

    In unserer Beratungspraxis (Gründungsberatung) stehen wir immer wieder vor dem Problem, dass weder für unsere Beratungskund:innen noch für uns Berater:innen die Möglichkeit besteht, direkt mit den Zuständigen bei der DRV Bund zu sprechen. Oft braucht es nur eine kurze Information um zum Beispiel zu wissen, auf welchem Stand der Bearbeitung ein Antrag ist. Gerade bei Gründungen von Menschen, die auf Assistenzbedarf angewiesen sind, steht und fällt die Gründung mit der Bewilligung der Assistenz. Oft kommt erschwerend hinzu, dass es von anderen Leistungsstellen z.B. der Agentur für Arbeit Fristen für die Gründung gibt, um Gründungszuschuss zu erhalten.


    Bisher ist es uns noch nicht gelungen, über dieses Problem mit der DRV Bund in Austausch zu kommen.

    Welche Möglichkeiten gibt es, dass die Akteurinnen und Akteure - und natürlich auch die zu Beratenden - besser und unkomplizierter in Austausch kommen?

    Ja, da stimme ich Frau Ehrhardt zu. Die Erfahrung zeigt, dass es nach wie vor Vorbehalte gegenüber Gründungen von Menschen mit (Schwer-)Behinderung - auch von Seiten der Reha-Träger - gibt. Es wird nicht bedacht, dass eine selbstständige Tätigkeit eine gute Alternative zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sein kann. Wenn es funktioniert und die selbstständige Tätigkeit den Lebensunterhalt sichert, dann ist es eine gute Chance für Menschen mit Behinderung bzw. gesundheitlichen Beeinträchtigungen, sich selbst einen Arbeitsplatz nach den eigenen Bedürfnissen zu gestalten.


    Falls sich zeigt, dass behinderungsbedingte Förderungen für eine Gründung notwendig sind, dann klären wir schon zu einem frühen Zeitpunkt im Beratungsprozess, ob und welcher Reha-Träger zuständig ist oder ob behinderungsbedingte Förderungen beim Inklusionsamt beantragt werden können. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Kriterium der Beitragszeiten (15 Jahre) bei der DRV nicht erfüllt ist oder wenn es um den Erhalt einer selbstständigen Tätigkeit geht (6 Monate nach Gründung).


    Oft verzögert sich durch die lange Bearbeitungszeit der Anträge der Start in die selbstständige Tätigkeit, was Gründungen in der Vergangenheit auch schon gefährdet hat. Hier gibt es nach unserer Erfahrung vor allem bei der DRV noch großen Handlungsbedarf.

    In der Beratung von gründungsinteressierten Menschen mit Behinderung ist zunächst wichtig, zu jedem Zeitpunkt innerhalb des Beratungsprozesses offen über die Behinderung und den damit verbundenen möglichen Einschränkungen zu sprechen. Alle gesundheitlichen bzw. behinderungsdingten Herausforderungen, die im Vorfeld bedacht und in die Planung mit einbezogen werden, können dazu beitragen, dass eine Gründung wirklich gelingt und nachhaltig ist. Oft geht es darum, wie der Arbeitsalltag organisiert und strukturiert werden kann, damit er zum dem Menschen passt. (Zum Beispiel Pausenregelungen, Zeit für Therapietermine, Leistungsschwankungen im Tagesrhythmus).
    Außerdem sind behinderungsspezifische Förderungen ein wichtiges Thema wie z.B. Technische Arbeitsplatzausstattung oder Arbeitsassistenz.