Beiträge von Karsten Lutz

    Guten Tag erneut zusammen,


    persönlich fände ich es gut und richtig, das Rentenprivileg gesetzlich auf alle Budget-Arbeitsverhältnisse auszuweiten. Alleine schon, weil viele Budgetnehmer: innen eher Verdienste auf "Helferniveau" erzielen. Aber grundsätzlich deswegen, da es sich um den gleichen Personenkreis handelt und ein Wechsel aus Werkstatt in Budget für Arbeit daran - zumindest bisher - auch nichts ändert. Das Privileg sollte dem Menschen geschuldet sein, nicht der Unternehmensform.


    Wir haben einen Beratungsprozess zu Budget für Arbeit entwickelt, der die Menschen (und ihr verantwortliches Umfeld) schon vor und während ihrer Praktika darüber aufklärt, was die Konsequenzen einer Entscheidung für Budget für Arbeit sein werden. Das ist für uns bis heute eine der wichtigsten Komponenten: So gut als möglich aufklären und informieren. Ein Teil davon, neben der Rentengeschichte, ist die Gegenüberstellung der aktuellen Einkommenssituation (und anderer Privilegien) und jener, wie sie sich im Rahmen Budget für Arbeit zusammensetzen würde, unter Berücksichtung der individuellen Lebensumstände.

    So ist es z.B. gut möglich, mit einer Teilzeit-Tätigkeit im Rahmen Budget für Arbeit und der dann noch auszuzahlenden Teilrente, ein vergleichsweise attraktives Einkommen zu erzielen. Eine Variante, mit der z.B. gerade für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung eine individuell passende Beschäftigung gestaltet werden kann.

    Wir haben es auch schon mehrfach erlebt, dass Menschen so sehr nicht weiter in der Werkstatt arbeiten wollten, dass sie finanzielle Verluste oder niedrigere Rentenbeiträge, wesentlich längere Arbeitswege, etc. in Kauf genommen haben, um einen anderen Arbeitsplatz zu bekommen. Ob wir das nun toll finden oder nicht - die Entscheidung liegt bei den Menschen letzlich selbst. Andere haben sich nach oder während eines Praktikums, trotz möglicher finanzieller Verbesserungen, doch für den Verbleib in der WfbM entschieden.


    Beste Grüße


    Karsten Lutz

    Hallo zusammen,


    Anekdote: im letzten Jahr haben wir, Team JobWERK, an einem Aktionstag in der Innenstadt mitgewirkt. Um mit den Panssant: innen ins Gespräch zu kommen, haben wir eine Frageaktion vorbereitet: "Ist Ihr Arbeitsplatz barrierefrei?" - man durfte eine Kugel in das Ja- oder Nein-Glas werfen ... so begannen die Gespräche,

    Ein Fazit des Tages war, dass viele Gesprächspartner: innen "seelische" Barrierefreiheit am Arbeitsplatz vermissen. Und dass es sehr unterschiedliche Ansichten dazu gibt, wie diese aussehen sollte, bzw. verbessert werden könnte. Überein kamen viele darüber, dass wohl alle Menschen in Arbeit und Beschäftigung von einem sensibleren gegenseitigen Umgang mit seelischen und psychischen Krisen profitieren würden.


    Jobcoaching, hier schließe ich mich gerne an, halte ich ebenfalls für ein gutes Instrument - insbesondere, da es von extern kommt (kommen sollte, die Situation zunächst neutral betrachtet und dem somit ein supervisorischer Charakter innewohnt. Das kann Ideen und Lösungen ermöglichen, die zuvor ev. gar nicht mehr gesehen wurden.


    Bei Einführung Budget für Arbeit, 2006 in RLP, vermutete man, dass es zunächst eher psychisch beeinträchtigte Menschen sein würden, denen damit die Chancen auf Vermittlung / Übergang erleichtert werden. Begründet wurde dies mit besseren kognitiven Fähigkeiten, verbunden ev. mit Vorbildung / Ausbildungen.

    Dies hat sich in meinem Wirkungsfeld so nicht bewahrheitet. Wir haben - seit 2006 weitgehend unverändert - eine Quote von ca. 70:30 (Menschen m. kogn./mehrfachen Beeinträchtigungen : Menschen mit psychsichen Beeinträchtigungen), die Budget für Arbeit für sich erschließen können. Die Gründe dafür sind vielfältig und komplex.


    Beste Grüße


    Karsten Lutz

    Erneut Hallo in die Runde,


    mit großem Interesse verfolge ich die Beiträge zu diesem Thema. Bitte erlauben Sie mir, ein wenig in der Zeit zurückzugehen, um den Werdegang des "Budget für Arbeit" zu beleuchten.


    2002 bis 2005 führten drei Werkstätten in Rheinland-Pfalz (die damals hießen: Caritas Werkstätten Mayen-Cochem-Sinzig-Polch, Kreuznacher Diakonie und gpe Mainz) gemeinsam mit dem Ministerium in Mainz ein Modellprojekt durch: "AIM - Arbeitsweltbezogene Integrationsmodelle", mit der Fragestellung, wie und wodurch es gelingen kann, mehr Menschen mit Beeinträchtigung den Übergang aus den Werkstätten auf den Allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Neben vielen weiteren Erkenntnissen, wurde den Teilnehmenden schnell deutlich, dass es sich immer wieder um die gleichen "Kernfragen" dreht (und zwar auf beiden Seiten - Arbeitgeber: in und potentielle Arbeitnehmer: in mit Beeinträchtigung):


    • Finanzieller Ausgleich des Teils der Leistung / der Anforderungen, welche aufgrund der Beeinträchtigung tatsächlich auf Dauer nicht erbracht werden können
    • Angst davor, bei einem Scheitern, bzw. bei Überforderung, etc., nicht mehr in das "Werkstattsystem" zurückkehren zu können, bzw. auf Seiten des Arbeitgebers (bitte wertneutral einordnen), eine: n schwerbehinderte: n Arbeitnehmer: in nicht kündigen zu können, wenn es wirklich notwendig werden würde (wobei Budget für Arbeit das Schwerbehindertengesetz und somit den besonderen Kündigungsschutz natürlich nicht aushebelt und die Gründe durch das Integrationsamt immer gehört / geprüft werden)

    Also "strickte" man, als Modell, "Budget für Arbeit", welches so einfach, wie genial war und genau auf o.g. "Kernfragen" eine Antwort gab:

    Bis zur Höhe des Betrages, den auch Werkstätten für einen Beschäftigungsplatz bekommen (damals hieß es 70% des Arbeitnehmer-Bruttoentgeltes, max. jedoch Werkstattkosten), sollte der zuständige Leistungsträger einen Zuschuss an einen Betrieb zahlen, wenn dieser bereit war, ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit einem Menschen abzuschließen, der Anspruch auf Beschäftigung im Arbeitsbereich einer WfbM hat. Dieses Arbeitsverhältnis sollte von beiden Seiten wieder aufgelöst werden können und das Recht auf Rückkehr des / der Budgetnehmer: in in das Werkstattsystem sollte dauerhaft gesichert sein.


    Budget für Arbeit wurde somit zu dem Vermittlungs-Instrument, mit dem dann wiederum das Sozialministerium in Mainz, gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten (LAG) RLP, 2006 ein auf "AIM ..." folgendes "Umsetzungsprojekt Integrationsmanagement in den Werkstätten in RLP", an dem damals 27 von 36 Werkstätten teilnahmen, "auf die Piste" schickten.

    Zu diesem Zeitpunkt begannen diese teilnehmenden Werkstätten, deren gesetzliche Aufgabe dies ja eigentlich schon zuvor war, in unterschiedlichster Weise ein Integrationsmanagement systematisch zu implementieren. Befürchtung und Hoffnung gingen um, Budget für Arbeit würde die Werkstätten zunehmend "leeren". Was bis heute nicht eingetreten ist.

    Leider verstarb der federführende Staatssekretär, Herr Thomas Ecker, in 2006 kurz nach Einführung Budget für Arbeit in RLP. Er hatte damals schon eine wichtige Weiterentwicklung des Fördermodells im Sinn - nämlich eine höhere Förderung für Menschen mit Körperbehinderung, welche aufgrund dieser mehr Mittel für Assistenz und Beförderung benötigen, um Budget für Arbeit überhaupt nutzen zu können. Dazu kam es jedoch leider so nicht mehr.


    Für die Westpfalz-Werkstätten in Landstuhl durfte ich für dieses Thema an den Start gehen. Wir wählten dafür das Stabsstellenmodell. Und so kommt es, dass mich Budget für Arbeit, mit all seinen Entwicklungen, tatsächlich schon die letzten 17 Jahre begleitet. Wir konnten seit dem 119 Personen auf ihrem Weg in ein durch Budget für Arbeit gefördertes Arbeitsverhältnis begleiten, einige davon auch auf ihrem Weg zurück oder in ein anderes Budget-Arbeitsverhältnis. Ich stimme den Gelingensfaktoren in Frau Seegers Fachbeitrag voll und ganz zu - und doch verbirgt sich hinter allen 119 Personen noch einmal eine ganz individuelle Geschichte von Motivation, Erfolg, Konsequenzen und Erkenntnis. Wir Begleitenden sind zwar die zumeist unverzichtbaren "Randfiguren" - die eigentliche Leistung, damit es überhaupt gelingt, liegt bei den Menschen mit Beeinträchtigung selbst, genauso wie bei den chancengebenden Betrieben.


    Ausdrücklich beipflichten möchte ich allen Anmerkungen, die hervorheben, dass berechtigte Personen eigentlich mit den Herausforderungen ihres Lebens und allem, was dazu organisiert und bewältigt werden muss, schon genug Belastungen standhalten müssen - Budget für Arbeit / Ausbildung für sich nutzbar, bzw. zugänglich zu machen, ist eine komplexe Fachleistung, welche sie nicht zusätzlich selbst bewältigen können und auch nicht müssen sollten.


    Zuletzt noch eine Anmerkung zu den rentenrechlichen Gegebenheiten: Dass für Menschen, welche mit Budget für Arbeit in einen Inklusionsbetrieb wechseln, wie bei Werkstattbeschäftigung weiterhin Rentenbeiträge auf Basis 80% der jeweiligen Bezugsgröße abgeführt werden, ist keine explizite Modalität des Budget für Arbeit. Diese Regelung bestand schon lange zuvor und ist geregelt im §162 Nr. 2a SGB VI (vgl. https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_6/__162.html). Hinzu kommt, dass der Wechsel direkt im Anschluss an die Berufsbildende Maßnahme in einen Inklusionsbetrieb, ohne vorherige Aufnahme einer Tätigkeit im Arbeitsbereich der WfbM, diese "Aufstockung" der Rentenbeiträge durch das Integrationsamt nicht rechtfertigt und - zumindest in Rheinland-Pfalz - auch abgelehnt wird (vgl. hierzu o.g. Gesetzestext)

    Ein echter Schildbürgerstreich, was Budget für Arbeit angeht - Nachbesserung dringend notwendig.


    Beste Grüße


    Karsten Lutz

    Guten Abend in die Runde,


    gerne starte ich diesen Thread mit einem "ganz frischen" Erfahrungsbericht - denn wir hier vom Team ÖGW JobWERK Kaiserslautern (https://www.gemeinschaftswerk.de/de/beratung/jobwerk) begleiten, seit 01.09.23, unseren ersten Teilnehmer im Budget für Ausbildung.

    Ich wähle dafür eventuell ein ungewöhliches Format und bitte um Nachsicht dafür - jedoch erschien mir ein angemessener Beitrag, ohne diese Ausführung, kaum möglich: Im Anhang finden sie den persönlichen Bericht einer ersten und ganz frischen Erfahrung mit Budget für Ausbildung §61a SGB IX.

    Ich vertrete derzeit durchaus die fachliche Ansicht, dass auch dieses Instrument der betrieblichen Inklusion für eine, vermutlich eher kleine, Gruppe der Berechtigten eine Chance bereithält, es hier jedoch noch Entwicklungs- und Klärungsbedarf gibt. Letzteres ergibt sich aus den im Anhang beschriebenen Erfahrungsmomenten:


    Anmerkung 1: Aufgrund der besonderen Situation und der Bedarfe der Personen, welche Budget für Ausbildung beantragen können, glaube ich, dass es häufiger der Fall sein wird, das Angebot für einen Ausbildungsplatz aufgrund eines positiv verlaufenden Praktikums zu erhalten. Sind Menschen im Rahmen der Berufsbildenden Maßnhame WfbM in einem solchen Praktikum, bzw. auch später, aus dem Arbeitsbereich WfbM heraus, so halte ich es für wichtig, dass die begleitenden Fachkräfte der WfbM auch diesen Weg "auf dem Schirm" haben, dazu fachkundig beraten und ergebnisoffen - ganz dem Wunsch- und Wahlrecht verpflichtet - unterstützen können.


    Persönliches Fazit 1 (zu beschriebener Erfahrung): Der Weg in und durch "Budget für Ausbildung" muss ebener werden. Alle möglichen Leistungsträger sollten zukünftig in der Lage sein, das nötige "Verfahren" fachkompetent und handlungsleitend zu koordinieren.


    Persönliches Fazit 2 (zu beschriebener Erfahrung): Insbesondere im Hinblick auf die besonderen Herausforderungen (in allen Themen des Lebens), denen sich berechtigte Personen täglich stellen : Alles für Budget für Ausbildung notwendige, im Vorfeld zu klären, zu beantragen, auszuhandeln, zu verschriftlichen, ist ein fachlich derart komplexer und aufwändiger Prozess, dass es nicht der antragstellenden Person (und/oder deren Umfeld) alleine obliegen darf, das alles zu bewältigen. Es handelt sich hierbei um Fachleistungen, welche schon im Vorfeld benötigt werden und somit auch anerkannt und vergütet werden müssen.


    Persönliches Fazit 3 (dto.): Um, im Rahmen Budget für Ausbildung, wenn nötig und angezeigt, auch Ausbildungen auf Fachpraktiker-Niveau in den anerkannten Berufen zu ermöglichen, benötigt es Nachbesserungen in den Regelungen der Kammern (zumindest in Rheinland-Pfalz, evtl. gibt es hier bundesweit auch andere Vorschriften). Gerade für den berechtigten Personenkreis sind auch der physische und relationale Ort der praktischen Ausbildung - also der individuelle Betrieb und die dortigenKolleg: innen - eine wichtige Größe für das Gelingen, wenn das Ausbildungsangebot so zustande kam. Dann sollte es nicht daran scheitern, dass nur eine Ausbildung unter wesentlich höheren Anforderungen möglich ist, da sich keine ReZa-Fachkraft unter den Kolleg: innen findet - was vermutlich in vielen Betrieben so sein dürfte. Mögliche Lösung: Honorarkräfte mit rehabilitationspädagogischer Ausbildung beistellen.


    (Diesen Beitrag) abschließend: Nach einigen Hürden, läuft für unseren Teilnehmer derzeit alles erfreulich gut. Aber es steht auch erst am Anfang. Das Wichtigste, was es braucht - und was man nicht in Fachliche Weisungen packen kann - bringt er mit: Eine Motivation, die wirlich außergewöhnlich ist und die Bereitschaft, enorm viel auf sich zu nehmen, um es zu schaffen. Hut ab!


    Herzliche Grüße


    Karsten Lutz

    Guten Abend Herr Dreher und

    ein freundliches Hallo in die Runde,


    wenn ich Ihren Beitrag richtig verstehe, so sprechen Sie auch meiner Erfahrung nach ein wichtiges Thema an.

    Ich benenne es mal salopp: Es muss zunächst geklärt sein, ob ein Mensch in die Schublade "erwerbsfähig" oder in die Schublade "nicht erwerbsfähig" einsortiert werden kann (Gutachten). Daraus ergeben sich die Maßnahmen und Angebote, welche die Berater: innen der jeweiligen Leistungsträger der ratsuchenden Person machen dürfen.

    Reden wir von Menschen, welche durch das Gutachten des Medizinischen Dienstes als nicht (noch nicht, nicht mehr) erwerbsfähig eingestuft werden, so blieb bislang zumeist nur die Empfehlung Berufsbildungsmaßnahme WfbM.

    Es ist auch meine Erfahrung, dass viele der zuständigen Berater: innen der jeweiligen Leistungsträger bisher - aus verschiedenen Gründen - wenig "Bandbreite" in der Beratung aufzeigen (können?), da die Wege und Abläufe der möglichen Alternativen (Budget für Ausbildung, Berufliche Bildung mit Persönlichem Budget) in vielerlei Hinsicht auch ihnen noch völlig unklar sind.

    Schaut man bundesweit über den Tellerrand und betrachtet die wenigen Beispiele, in denen Menschen z.B. eine Alternative zur klassischen Bildungsmaßnahme in einer WfbM wählen konnten, so wird deutlich, dass sie dies nur mit der Unterstützung eines starken Familienumfelds oder einer vergleichbaren Lobby (ISL, andere Dienste, etc.) geschafft haben. Nicht selten führten die Wege auch zunächst über gerichtlich herbeigeführte Entscheidungen. Dies gelingt Menschen selbständig ohne diese Begleitung und Unterstützung i.d.R. nicht, bzw. nur selten. Dies trägt zudem zur Reproduktion gesellschaftlicher Benachteiligung vorbei, wie wir sie insgesamt in unserem Bildungssystem beobachten können.

    Da, so denke ich, ist eine Lücke - es braucht für Menschen mit Beeinträchtigung je individuell eine gesetzlich refinanzierte, ergebnisoffene und "unabhängige" Unterstützung und Begleitung - wie Sie sie, Herr Dreher, in Ihrem Beitrag beschreiben - und dies bereits vor Beginn einer "Maßnahme". Das können EUTB, IFD und andere Beratungsstellen nur teilweise leisten - oder man stattet sie noch wesentlich besser aus.


    Beste Grüße