Es gibt in Deutschland eine Bandbreite an unterschiedlichen Unterstützungsmöglichkeiten, gleichzeitig gibt es auch verschiedenste Kostenträger und Zuständigkeiten sowie Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Aus Unternehmensperspektive sind diese oftmals nur schwer zu durchblicken und stellen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen in der Praxis vor Herausforderungen.
Verschiedene Kostenträger fördern Maßnahmen aus einer bestimmten Logik heraus. Neurodiverse Menschen passen aber selten in das Korsett, das die Förderlogik oder den aktuellen Zuständigkeitsbereich vorgibt. Hier gilt es, im Dialog mit den Kostenträgern Lösungen zu finden.
Gerne nenne ich auch ein paar Beispiele (hier auch über den Rahmen der Zielgruppe kognitiv und seelisch beeinträchtigter Menschen hinaus), über die wir in der Praxis regelmäßig stolpern.
Beispiel 1
Innerhalb der Inklusionsabteilung kommt es regelmäßig vor, dass die Schwerbehindertenausweise von Mitarbeitenden mit einer diagnostizierten Autismus-Spektrum-Störung auslaufen oder angekündigt wird, dass der GdB zurückgestuft wird. Hiermit wird der Arbeitsplatz bzw. die Beschäftigung im Rahmen der Inklusionsabteilung mitsamt des Unterstützungsangebots bedroht. In der Praxis löst dies bei den betroffenen Personen meist eine große Unsicherheit aus und es ist nur schwer nachzuvollziehen, wieso sich Menschen mit einer ASS Diagnose hier immer wieder rechtfertigen müssen.
Gleichzeitig machen wir die Erfahrung, dass eine Gleichstellung fast immer unbefristet erfolgt - Menschen in einem bestehenden Arbeitsverhältnis ein Gleichstellung durchzukriegen, ist jedoch eine große Herausforderung. Es folgen dann Stellungnahmen von Psychiater:innen, Arbeitspädagog:innen, Betriebsrat usw. zur Vermeidung einer Herabstufung bzw. Sicherung einer Gleichstellung und somit auch Sicherung eines langfristig ausgerichteten bedarfsgerechten Unterstützungsrahmens.
Beispiel 2
Wir hatten eine Anfrage eines Bewerbers, den wir gerne im Rahmen der Inklusionsabteilung einstellen wollten.
Die Zielgruppenanerkennung beim Inklusionsamt war bereits erfolgt, ebenso das Vorstellungsgespräch sowie eine Arbeitsplatzbesichtigung.
Aufgrund vorhandener Hörbehinderung, benötigten wir für die einstellungsrelevanten Schulungen eine/einen Gebärdensprachdolmetscher/in.
Unsere Ansprechpartnerin vom Inklusionsamt teilte uns mit, dass wir uns bezgl. einer Förderung bzw. Kostenübernahme an die örtliche Fachstelle für schwerbehinderte Menschen im Arbeitsleben wenden könnten. Der Kollege der Fachstelle wies mich darauf hin, dass die Fachstelle erst nach der Einstellung (z.B. für Betriebsversammlungen, weitere Schulungen etc.) zuständig sei und ich die Anfrage zunächst an die Agentur für Arbeit und den Integrationsfachdienst für hörbehinderte Menschen richten solle. Die Dolmetschenden des Integrationsfachdienstes waren bereits ausgebucht, für die Hilfe bei der Suche nach Honorardolmetschenden benötigten wir einen ensprechenden Kostenübernahmebescheid.
Da der Bewerber bereits sozialversicherungspflichtig beschäftigt war und nur zu uns wechseln wollte, fiel auch die Agentur für Arbeit aus der Zuständigkeit. Leider erfolgte zunächst nur eine mündliche Ablehnung. Jedoch benötigte ich eine schriftliche Absage, damit das Inklusionsamt als nachrangiger Kostenträger einspringen konnte. Bis ich diese vom zuständigen Sachbearbeiter erhielt, vergingen Wochen. Insgesamt hat sich der Einstellungsprozess des Kollegen aufgrund der Suche nach Zuständigkeiten über Monate gezogen. Seit Einstellung läuft die Beauftragung von Dolmetschenden für regelmäßige Feedbackgespräche, Betriebsversammlungen und Feste sowie für Schulungen sehr routiniert.
Beispiel 3
Menschen, die aus der Arbeitslosigkeit kommen und Bürgergeld beziehen, erhalten dieses immer zu Beginn des Monats. Das Monatsgehalt im Betrieb erfolgt jedoch erst zum Ende des Monats. Neueinsteiger:innen sind daher oft darauf angewiesen Darlehen beim Jobcenter aufzunehmen, was gerade bei der Zielgruppe kognitiv und seelisch beeinträchtigter Menschen großen Stress auslösen kann, im ohnehin schon aufregenden und alltagsverändernden Einstellungsprozess.
Die Implementierung der einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) hat großes Potential Unternehmer:innen Hilfestellung bei Anträgen zu geben und eine Lotsenfunktion einzunehmen.