Beiträge von HauffenJ

    Ich kann mich da nur anschließen. Meiner Erfahrung nach ist die Abstimmung und Einigung auf verbindliche Rahmenbedingungen auf der oberen Leitungsebene häufig die Herausforderung. Hier fehlen sehr oft Experten/innen von der "Basis" die die Praxis täglich erleben und ihre Erfahrungen einfließen lassen. Ein weiteres Problem ist dann häufig der Informationsfluss und die Kommunikation auf die unteren Ebenen in den verschiedenen Institutionen mit ihren unterschiedlichen Strukturen.

    Auf der Arbeitsebene mache ich sehr gute Erfahrungen in Netzwerken mit den lokalen Akteuren. Natürlich ist es hier erforderlich viel Zeit und Energie zu investieren, um in Kontakt zu bleiben, Vertrauen aufzubauen, gemeinsam Themen zu bewegen, Fälle gemeinsam zu gestalten und vor allem auch Netzwerke nach ihren unterschiedlichen Zielsetzungen und Themen zu differenzieren. und aufzubauen. Im besten Fall hat jeder Beteiligte im Netzwerk einen Nutzen und kann gleichzeitig auch einen Nutzen für die anderen bieten indem jeder seiner Expertise und Kompetenzen einbringt.

    Die Wartezeiten sind ein Problem. Wenn man in diesem System ganzheitlich beraten und unterstützen will, ist man auch als Leistungsträger von Anderen und den vorgegebenen Strukturen abhängig. So zum Beispiel von Fachärzten, die durch unseren Fachdienst mit entsprechender Schweigepflichtentbindung aufgefordert werden relevante fachärztliche Unterlagen einzureichen, damit individuelle Bedarfe ermittelt werden können und sozialmedizinische Gutachten erstellt werden können. Manchmal dauert das sehr lange und manchmal kommen hier auch nach mehrmaligen Nachfragen keine Rückmeldungen. Wir bitten die Antragssteller/innen daher Kopien von aktuellen Befundunterlagen und fachärztliche Stellungnahmen möglichst schon mit den Unterlagen für unseren Fachdienst direkt einzureichen, um diese Wartezeiten zu verkürzen.


    Wenn es zu Wartezeiten kommt, ist dann außerdem wichtig Transparenz zu schaffen und die Menschen entsprechend zu informieren und auf dem Laufenden zu halten, wie der Stand im Prozess gerade ist und zu erklären, wie die Prozesse laufen und warum es länger dauert.

    Ich schließe mich den vorherigen Kommentaren an und möchte noch Folgendes ergänzen: Aus meiner Erfahrung brauchen Arbeitgeber auch darüber hinaus einen Lotsen, denen sie bei Fragen und vor allem Unsicherheiten im Umgang mit Beschäftigten mit Behinderungen auf kurzem Wege ansprechen können, wenn bereits Förderungen laufen. Neben der Beratung zu den umfassenden Fördermöglichkeiten geht es auch sehr häufig darum Ängste und Unsicherheiten auf der Arbeitgeberseite zu nehmen oder in herausfordernden Situationen (z.B. wenn sich Arbeitnehmer/innen in psychischen Krisen befinden, etc.) zu unterstützen und zu lotsen, um die notwendigen Hilfen zu installieren und langen Krankheitsausfällen vorzubeugen und Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter/innen zu erhalten. So wie es zum Beispiel Jobcoaches am Arbeitsplatz für Menschen mit Behinderung gibt (LWL | Jobcoaching - LWL-Inklusionsamt Arbeit (lwl-inklusionsamt-arbeit.de) sollte es auch für die Arbeitgeber/innen einen Coach/Lotsen geben, der bei Bedarf als fester Ansprechpartner/in hinzugezogen werden kann, wenn Fragen oder Probleme auftauchen.

    In meiner täglichen Arbeit investiere ich sehr viel Arbeit in den Ausbau meines regionalen und überregionalen Netzwerks, weil ich der Meinung bin, dass die Welt der Beruflichen Rehabilitation und Teilhabe viel zu komplex ist als das wir das alleine alles durchblicken können und dass es immer Mehrere braucht um Teilhabe zu ermöglichen. Und weil ich verstehen möchte und wissen will, wie die Anderen organisiert sind und wo ihre Kompetenzen liegen und auch um Transparenz zu schaffen, wie wir als Reha-Träger ticken. Dabei sind mir schon viele Menschen begegnet, die sich unter anderem auch als Lotsen für Menschen mit Behinderungen in diesem System verstehen. Manchmal waren es engagierte gesetzliche Betreuer/innen, Eltern, Familienhelfer, Fachkräfte des IFD, EUTB-Berater/innen, Rechtsanwälte, Sozialarbeiter/innen aus Einrichtungen, Arbeitgeber/innen, EAA, VdK, Ärzte/innen, Reha-Fachberater/innen von anderen Reha-Trägern oder Mitarbeiter/innen von Beratungsstellen, die sich als Lotsen verstehen, um Menschen mit Behinderungen zu unterstützen. Das ist gut und recht, führt aber an einigen Stellen zu Chaos und Missverständnissen, weil nicht alle die gleichen Informationen und Kenntnisse über rechtliche Aspekte haben und/oder die Kommunikation miteinander nicht funktioniert.

    Jeder dieser Lotsen hat seine Berechtigung, da jeder von ihnen einen anderen Blickwickel auf den Menschen mit Behinderung hat und jeder von ihnen nur das Beste für seinen Kunden/in, Patienten/in, Klienten/in, sein Kind oder Freund/in erreichen möchte. Problematisch wird es aus meiner Erfahrung dann, wenn diese Lotsen gegeneinander agieren oder nur ihre Wahrheit als die einzig wahre Wahrheit ansehen und nur sich als den einzig wahren Lotsen verstehen. Alle die im Beratungsgeschäft tätig sind werden verstehen, wie schwer es ist, wenn ein Beratungsgespräch bereits mit Vorbehalten startet und wie schwer es dann ist eine gute vertrauensvolle Beziehungsebene zu schaffen. Dann wird es schwer der jeweiligen Lotsenfunktion gerecht zu werden und gemeinsam das Teilhabeziel zu erreichen.

    Wobei man glauben kann, dass das Betroffenen in Großstädten eher gelingt . . . . (schwer-)behindert auf dem platten Land: da ist das Schicksal wohl oft schnell besiegelt...... es drohen Klassiker wie Werkstatt oder gar Pflegeeinrichtung (das haben wir schon immer so gemacht..... hat sich so bewährt...... )


    Lesenswert dazu => https://www.zeit.de/2023/48/me…rtenwerkstatt-trisomie-21

    Vielleicht gelingt es in Großstädten besser, weil es dort eine andere Infrastruktur und eine höhere Dichte an Anbietern und Trägern gibt. Da ich in einer ländlichen Region tätig bin, kann ich sagen, dass es bei uns keinen Automatismus gibt, Menschen mit Behinderungen aus Mangel an Alternativen in Werkstätten für Menschen mit Behinderung zuzuweisen. Da wo es Möglichkeiten gibt und die Voraussetzungen vorliegen, können wir viel möglich machen und tun dies auch. An dieser Stelle verstehen wir uns als Lotsen, um die selbstbestimmte berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung nach den gesetzlichen Möglichkeiten zu gestalten und zu erreichen. Das braucht auch mal Kreativität und den Mut etwas Neues zu probieren. Und natürlich schaffen wir es nicht immer und nicht immer ist man mit unser Dienstleistung und unseren Angeboten zufrieden.

    Die Komplexität des gegliederten Systems stellt für jeden Akteur/in in diesem System eine große Herausforderung dar. Vor allem Menschen mit Behinderungen sind hier auf Unterstützung in Form guter und umfassender Beratung und Hilfe angewiesen! Das System aus verschiedenen Reha-Trägern und unterschiedlichen Teilhabeleistungen in Deutschland kann hier sehr viele Möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen bieten, entscheidend ist an dieser Stelle für mich eine gute Zusammenarbeit und Vernetzung auf Seiten der Reha-Träger untereinander, aber auch mit den jeweiligen örtlichen Beratungsstellen und weiteren Akteuren/innen vor Ort. Jeder Reha-Träger und jeder Akteur/in in diesem System sollte sich als Lotse für Menschen mit Behinderung verstehen. In meiner täglichen Arbeit in diesem System erlebe ich viel Engagement sowohl von Beratungsfachkräften der Reha-Träger, als auch von Mitarbeitenden des IFD und anderen Beratungsstellen. Ich bin der Meinung, dass es keine zusätzlichen Lotsen im bestehenden System braucht, es braucht viel mehr eine gute Zusammenarbeit der bestehenden Akteure im Sinne der Menschen mit Behinderungen, um diese bestmöglich durch den Dschungel der Teilhabeleistungen zu begleiten und sie in ihrer Teilhabe individuell zu unterstützen.


    Es gibt bereits unzählige Beteiligte und Akteure im System. Hier fehlt vielen der Überblick und der Durchblick, wer wann für was zuständig ist. Auch die Reha-Träger und Juristen/innen stehen vor der Herausforderung das System und das Vorgehen der jeweiligen anderen Reha-Träger zu verstehen und Kenntnis davon zu haben. Man kann hier auf lokaler Ebene noch so gut vernetzt sein, der Wille auf den oberen Ebenen (Politik) wirklich an einem Strang im Sinne des BTHG zu ziehen und gewachsene Strukturen zu überwinden, sehe ich hier als die größte Herausforderung. Es sollte mehr Transparenz geschaffen und der Austausch gestärkt werden – ein Gesetz als Grundlage haben wir bereits! Im besten Fall ist jeder Spezialist/in in seinem Teilhabegebiet mit seinen Teilhabeleistungen und versteht seinen gesetzlichen Beratungsauftrag. Wir sollten uns weniger über Zuständigkeiten streiten und viel mehr auf gute und umfassende Beratung für unsere Kunden/innen, Klienten/innen und Patienten/innen konzentrieren und unserem GEMEINSAMEN Auftrag nachkommen. Aus meiner Sicht gibt es an einigen Stellen schon gute Zusammenarbeit und engen Austausch, um die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu erreichen. Aber es ist noch viel Luft nach oben. Die Voraussetzungen dafür sind meiner Meinung nach gegeben. Es gibt das BTHG und gemeinsame Empfehlungen und Absprachen auf dem Papier. Diese sollten mit Leben gefüllt und umgesetzt werden, anstatt noch einen weiteren Akteur oder Lotsen/in einzuführen, der die Komplexität des Systems nur steigern würde. Natürlich braucht es dafür die entsprechenden Ressourcen – keine Frage. Hier wären wir wieder bei dem Thema „obere Ebenen“ und der Politik.


    Ich glaube wir können viel mehr für Menschen mit Behinderungen erreichen, wenn wir uns enger vernetzen, mit einander und den Menschen mit Behinderungen über die jeweiligen Möglichkeiten reden und den Weg zum Ziel gemeinsam gestalten.