Beiträge von Barlsen

    Nachdem ich die Diskussionsbeiträge zu allen Themen noch einmal "quergelesen" habe, kann ich mich der Äußerung von Herrn Jakoby nur anschließen: "Der Überblick über die gesamte Beratungslandschaft ist bereits heute unübersichtlich - und bedarf ggfs. für sich selbst bereits einer Lotsenfunktion."


    Sofern die nicht schon vorliegt, fände ich eine Evaluation der verschiedenen Lotsen-Angebote spannend. Soweit mir bekannt, orientieren sich die meisten mehr oder weniger an den Prinzipien des Case Managements. Interessant wäre, herauszufinden,

    - wie verbindlich die Prinzipien umgesetzt werden und ob das Auswirkungen auf den ebenfalls noch zu definierenden Erfolg der geleisteten Unterstützung hat,

    - welchen Handlungsspielraum die Lotsen haben,

    - wie breit Handlungsrahmen ist (arbeitet der Lotse nur im eignen System oder organisations- und rechtskreisübergreifend),

    - nach welchen Kriterien eine Vernetzung erfolgt und wie tief die geht,

    -...

    Zu 2:Diese zweifache Frage kann differenziert betrachtet werden. Als „Besteller“ sind die leistungsberechtigten Personen doch durchaus vorstellbar - Leistungsträger sollten aber ebenso auf diese Möglichkeit zugreifen können. Lotsen können schließlich eine Übersetzer-/Vermittlerrolle wahrnehmen. Die wirtschaftliche Steuerungshoheit der LT sehe ich dabei (noch) nicht in Gefahr.

    Solange die Rolle die des Übersetzers/Vermittlers ist, bleibt die Funktion unverbindlich und darum sicher auch unproblematisch. Gerade bei komplexen Fallkonstellationen sind aber Entscheidungen notwendig.

    Zu 1: Im günstigen Fall steuern Lotsen den Prozess und damit (alle) Beteiligten. In jedem „Fall“ wird das weder notwendig noch sinnvoll sein. Und auch mit dieser Einschränkung wird es eine umfangreiche Aufgabe darstellen. Für Fallkonstellationen mit einer geringeren Komplexität kann /sollten die Aufgabe durch bekannte/vorhandene Angebote wie EUTB und IFD wahrgenommen werden. Fälle mit größerer Komplexität bedürfen sicher spezifischer Arbeitsansätze. Ob diese durch bereits vorhandene Angebote bedient werden können kann zunächst bezweifelt werde. Insbesondere ein erhöhter Zeit- und Gestaltungsaufwand überschreitet das Maß des üblichen.


    Dabei ist zu unterscheiden zwischen einer Beratungs- und Steuerungsfunktion. Ersteres ist durch die vorhandenen Angebote bereits gut möglich. Sie fungieren hier als Türöffner und ermöglichen tiefergehende Beratungen und Entscheidungen durch die zuständigen Leistungsträger und/oder -erbringer.

    Sobald aber komplexere Probleme vorliegen, die mehrere Rechtskreise berühren, bedarf es einer verlässlichen Steuerung. Die setzt neben hohen zeitlichen Ressourcen sehr fundierte Fachkenntnisse und eine Einigung der beteiligten Instanzen (Nutzer, Leistungsträger und -erbringer) auf die Arbeitsweise voraus. Diese Aufgabe könnte Lotsen als Case Manager zukommen. Da das "teuer" ist, sollte definiert werden, wann sie eingesetzt werden.

    Um die Frage der Qualifikation beantworten zu können, scheint es mir eine Klärung des Begriffs "Lotse" bzw. seiner Funktion notwendig.

    Spätestens seit Inkrafttreten des BTHG haben die Reha-Träger über die Finanzierung geeigneter Leistungen hinaus einen umfassenden Beratungs- (§12) und Teilhabeplanungsauftrag (§19). Dem kommen sie durch die Einführung von Care- und Case Management-, Fallmanagement- und eben auch Lotsenkonzepten nach. Während es für das Case Management fachlich definierte Leitlinien gibt (DGCC (Hrsg.): Leitlinie Case-Management. Heidelberg, 2. Auflage 2020), sind die anderen Begriffe nicht eindeutig definiert. Dem folgend variieren die Funktionen der Konzepte und Aufgaben und Befugnisse der Lotsen oder Fallmanager stark. Neben weiteren sollten folgende Fragen diskutiert oder beantwortet werden:

    1. Wen oder was sollen die Lotsen steuern? Sind sie Berater für jede Person mit Unterstützungsbedarf - im Sinne eines niederschwelligen Beratungsangebots - oder Spezialisten für komplexe Hilfebedarfssituationen, die nur dann beauftragt werden, wenn offenkundig ist, das die üblichen Zuweisungen in die Hilfesysteme nicht zielführend sind, weil sie den Unterstützungsbedarf falsch oder nur teilweise erfassen?

    2. Wer beauftragt bzw. kontrolliert die Lotsen? Sind es die Personen mit Unterstützungsbedarf oder die Leistungsträger? An dieser Frage hängt der Zielkonflikt zwischen dem Anspruch auf unabhängige, ausschließlich am Hilfebedarf orientierter Teilhabeplanung und der (wirtschaftlichen) Steuerungshoheit der Leistungsträger.

    3. Wie sind sie im Rehabilitationssystem verortet? Welche Entscheidungskompetenz haben sie - insbesondere bei Unterstützungsbedarfen, die die Leistungen verschiedener Rehabilitationsträger erfordern?