Beiträge von Anke Kidan

    Auch ich kenne die "Lösung" alte Urlaubstage nach längerer Erkrankung zur Reduktion der Arbeitszeit bei vollem Gehalt.

    Bei uns in der Beratung hatten wir Ratsuchende mit psychischer Erkrankung, die lange - z.B. 12 Monate - krank geschrieben waren. Sie haben mit einer stufenweisen Wiedereingliederung begonnen und gemerkt, das sie noch nicht ausreichend belastbar sind. Das Krankengeld läuft aber nach 18 Monaten aus. Sie haben sich also entschieden, wieder "voll" zu arbeiten. Damit erhalten sie vollen Lohn und erwerben neue Anwartschaften auf Krankengeld - bei chronischen Erkrankungen sehr wichtig. Aus den vielen Monaten Arbeitsunfähigkeit haben sich Urlaubstage von 1-1,5 Jahren angesammelt, also zusätzlich zum Jahresurlaub des aktuellen Jahres ca. 30-45 Tage, das bedeutet bei wöchentlich 1 Urlaubstag kann man ungefähr ein Jahr mit verringerter Arbeitszeit (hier 4-Tage-Woche), überbrücken und sich stabilisieren. Die Ratsuchenden entwickelten diesen Gedanken und waren sehr zufrieden damit. Vielleicht auch unter dem Aspekt, was sollen sie auf Anhieb mit 30+30-45 = 60 bzw. 75 Tage Urlaub. Sie haben weder die Energie noch wollen sie 3 Monate in den Urlaub fahren.

    Wir in der EUTB Neumarkt i.d.OPf. haben regelmäßig Ratsuchende die länger erkrankt waren und stufenweise wieder in den Beruf einsteigen (wollen). In der Beratung haben wir damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir zeigen den Ratsuchenden dann die vielfältigen Möglichkeiten der stufenweisen Wiedereingliederung auf, die weit über das 2-4-6-(8) Modell hinaus gehen. Leider ist hier das Wissen bei den Beschäftigten und bei den Unternehmen noch extrem gering. Von den Möglichkeiten haben sie noch nie gehört, auch das Unternehmen hat derartiges nicht angesprochen. Oft gehen sie dann sehr motiviert aus der Beratung, was der Gesundung sehr hilft.

    So kommen zu uns oft Menschen mit psychischen Erkrankungen und/oder Neurodivergenz. Wir haben die Erfahrung gemacht, das diese Personen i.d.R. sehr gut wissen, was sie für eine gesunde Arbeit benötigen, diese Maßnahmen gut benennen können und (bei etwas Willen im Betrieb) sie auch leicht und zum Vorteil des Unternehmens umgesetzt werden können. Erfolgreiche Wiedereingliederung schafften wir z.B. mit folgenden Maßnahmen (im Einzelfall):

    anderes Büro / Einzelbüro

    anderer Chef

    mobiles Telefon (um im Stehen telefonieren zu können)

    flexible Arbeitszeiten / Gleitzeit

    etwas veränderte Arbeitsaufgaben

    Wir haben so mehrere Ratsuchende erfolgreich bei der Wiedereingliederung begleitet.

    Lotsen helfen Menschen mit (drohender) Behinderung bei der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen Leben. Sie zeigen auf, welche Hilfsmöglichkeiten es gibt - von rechtlicher Seite (z.B. n Bezug aug die zuständige Stelle) sowie auf regionaler Seite mit dem Verweis auf passende Anbieter. Die Beratungsstellen der EUTB - Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung - bieten genau diese Leistung den Ratsuchenden an. Die Beratung ist für die Ratsuchenden kostenlos und niedrigschwellig überall in Deutschland - mindestens auf Landkreisebene - verfügbar. Im Landkreis Neumarkt i.d.OPf. ist unsere Geschäftsstelle im Zentrum von Neumarkt. Es wird nach der Methode des Peer Counseling gearbeitet. Die Berater*innen haben selbst (oder ihre Angehörigen) ein Handicap. Somit können sie sich sehr gut in die Problemlagen der Ratsuchenden hineinfühlen und entsprechende potentielle Lösungswege aufzeigen. Die passende Beratungsstelle findet man z.B. auf der Webseite teilhabeberatung.de.