Wo gibt es Kostenträger-übergreifende Beratung?

  • Eine Kostenträger-übergreifende Beratung (korrekt: Leistungsträger-übergreifende) wäre eigentlich ein Muss. Nach meiner Kenntnis gibt es diese aber praktisch nirgendwo.


    In Bonn haben wir im Rahmen des Rehapro-Projektes "Teilhabehaus Bonn" vor zwei Jahren eine regionale Arbeitsgruppe mehrerer Kostenträger (Leistungsträger) gegründet. Dabei wirken mit: Rentenversicherungen Bund und Rheinland, Agentur für Arbeit Bonn, Jobcenter Bonn, Stadt Bonn und Eingliederungshilfe sowie Inklusionsamt des Landschaftverbands Rheinland. Ziel war, eine engere Zusammenarbeit in der Region zu verabreden – insbesondere auch zur Verbesserung und Beschleunigung der Beratungsprozesse. Erstes Ergebnis ist eine Verfahrensabsprache der Verwaltungen zur Zusammenarbeit in der Region Bonn. Mehr Informationen dazu im Netz: http://www.bar-frankfurt.de – dort suchen: Reha-Info 3/2022.


    Mich würde sehr interessieren, ob es irgendwo in Deutschland eine ähnliche Zusammenarbeit (oder auch Pläne dafür) zwischen zwei oder mehreren Kostenträgern für eine bessere Beratung im Bereich Teilhabe am Arbeitsleben gibt. Jede Rückmeldung hierzu würde mich freuen.

  • Vielen Dank. Mir geht es aber darum, dass die Kostenträger auch zur Beratung verpflichtet sind - auch zur Beratung über mehr als nur die eigenen Möglichkeiten. Dies geschieht meines Erachtens nur unvollständig. Diesen Mangel können auch die EUTB höchstens teilweise ausgleichen - gerade bei sehr spezifischen Themen wie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

  • Vielen Dank. Mir geht es aber darum, dass die Kostenträger auch zur Beratung verpflichtet sind - auch zur Beratung über mehr als nur die eigenen Möglichkeiten. Dies geschieht meines Erachtens nur unvollständig. Diesen Mangel können auch die EUTB höchstens teilweise ausgleichen - gerade bei sehr spezifischen Themen wie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

    Da haben Sie völlig Recht: Die Aufgabe der EUTBs ist in der Tat nicht, das auszugleichen. Und auch da haben Sie völlig Recht: Beratung "über mehr als die eigenen Möglichkeiten" würde bedeuteten: Über den eigenen Tellerrand zu schauen. Meine Erfahrung: selten bis gar nicht.

  • Leider gibt es nach meiner Erfahrung solche Zusammenschlüsse in Brandenburg nicht. In der Beratungspraxis zeigt sich eher eine "Verantwortungsabschiebepraxis". Zum großen Teil vermute ich eine Überforderung und Verunsicherung der Mitarbeiter der Leistungsträger. Jeder hat seine eigenen Verfahren, Gesetzbücher, Gutachter und Interessen und die Anwendung der im SGB IX verankerten Verfahren ist eher holperig. Es fehlen nach meiner Erfahrung schon die umfänglichen Beratungsangebote der einzelnen Leistungsträger (Ansprechstellen), um so mehr noch eine übergreifende Beratung. Wir als EUTB Berater begleiten die Ratsuchenden (trotz unserer Kenntnisse über Möglichkeiten) von einem zum nächsten Rehaträger, bis alle Informationen zusammengetragen sind, alle Papiere ausgefüllt und alle Gutachten überstanden sind.

    Eine Zusammenarbeit der Leistungsträger würde Zeit und Kosten sparen und Chronifizierung vermeiden.

  • Leider gibt es nach meiner Erfahrung solche Zusammenschlüsse in Brandenburg nicht. In der Beratungspraxis zeigt sich eher eine "Verantwortungsabschiebepraxis". Zum großen Teil vermute ich eine Überforderung und Verunsicherung der Mitarbeiter der Leistungsträger. Jeder hat seine eigenen Verfahren, Gesetzbücher, Gutachter und Interessen und die Anwendung der im SGB IX verankerten Verfahren ist eher holperig. Es fehlen nach meiner Erfahrung schon die umfänglichen Beratungsangebote der einzelnen Leistungsträger (Ansprechstellen), um so mehr noch eine übergreifende Beratung. Wir als EUTB Berater begleiten die Ratsuchenden (trotz unserer Kenntnisse über Möglichkeiten) von einem zum nächsten Rehaträger, bis alle Informationen zusammengetragen sind, alle Papiere ausgefüllt und alle Gutachten überstanden sind.

    Eine Zusammenarbeit der Leistungsträger würde Zeit und Kosten sparen und Chronifizierung vermeiden.

    Hier die schöne Theorie ( ein Beispiel, denn Beratung ist an diversen Stellen in den SGB´s öfter angeführt):

    § 12 SGB IX Maßnahmen zur Unterstützung der frühzeitigen Bedarfserkennung

    (1) Die Rehabilitationsträger stellen durch geeignete Maßnahmen sicher, dass ein Rehabilitationsbedarf frühzeitig erkannt und auf eine Antragstellung der Leistungsberechtigten hingewirkt wird. Die Rehabilitationsträger unterstützen die frühzeitige Erkennung des Rehabilitationsbedarfs insbesondere durch die Bereitstellung und Vermittlung von geeigneten barrierefreien Informationsangeboten über 1.Inhalte und Ziele von Leistungen zur Teilhabe,
    2.die Möglichkeit der Leistungsausführung als Persönliches Budget,
    3.das Verfahren zur Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe und
    4.Angebote der Beratung, einschließlich der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung nach § 32.
    Die Rehabilitationsträger benennen Ansprechstellen, die Informationsangebote nach Satz 2 an Leistungsberechtigte, an Arbeitgeber und an andere Rehabilitationsträger vermitteln. Für die Zusammenarbeit der Ansprechstellen gilt § 15 Absatz 3 des Ersten Buches entsprechend.
    (2) Absatz 1 gilt auch für Jobcenter im Rahmen ihrer Zuständigkeit für Leistungen zur beruflichen Teilhabe nach § 6 Absatz 3, für die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 und für die Pflegekassen als Träger der sozialen Pflegeversicherung nach dem Elften Buch.
    (3) Die Rehabilitationsträger, Integrationsämter und Pflegekassen können die Informationsangebote durch ihre Verbände und Vereinigungen bereitstellen und vermitteln lassen. Die Jobcenter können die Informationsangebote durch die Bundesagentur für Arbeit bereitstellen und vermitteln lassen.

  • Leider gibt es nach meiner Erfahrung solche Zusammenschlüsse in Brandenburg nicht. In der Beratungspraxis zeigt sich eher eine "Verantwortungsabschiebepraxis". Zum großen Teil vermute ich eine Überforderung und Verunsicherung der Mitarbeiter der Leistungsträger. Jeder hat seine eigenen Verfahren, Gesetzbücher, Gutachter und Interessen und die Anwendung der im SGB IX verankerten Verfahren ist eher holperig. Es fehlen nach meiner Erfahrung schon die umfänglichen Beratungsangebote der einzelnen Leistungsträger (Ansprechstellen), um so mehr noch eine übergreifende Beratung. Wir als EUTB Berater begleiten die Ratsuchenden (trotz unserer Kenntnisse über Möglichkeiten) von einem zum nächsten Rehaträger, bis alle Informationen zusammengetragen sind, alle Papiere ausgefüllt und alle Gutachten überstanden sind.

    Eine Zusammenarbeit der Leistungsträger würde Zeit und Kosten sparen und Chronifizierung vermeiden.

    Das wird sich auch solange NICHT ändern, solange Leistungsträger nicht für falsche oder unterbliebende Beratung sanktioniert werden. Letztlich bleibt Betroffenen nur im Schadensfall die Amtshaftung (Zivilgerichte) oder der sozialrechtliche Herstellungsanspruch. Zur Amtshaftung mal ein relativ aktuelles Beispiel: https://rsw.beck.de/aktuell/da…chtlichen-beratungsbedarf

  • Koalitionsvertrag

    Seit längerem bin ich auf mehreren Ebenen mit dem Versuch verfasst, die Kooperation von Teilhabe-Trägern auf regionaler Ebene zu verbessern. Deshalb hat mich im Koalitionsvertrag die Formulierung gefreut auf Seite 74: "Wir werden die unterschiedlichen Sozialversicherungsträger zu Kooperationsvereinbarungen verpflichten." Ich habe versucht heruaszufinden, was damit genau gemeint ist und wann dazu erste Entwürfe für eine gesetzliche Regelung geschaffen werden sollen. Dazu bin ich mit dem Grünen MdB Markus Kurth im Kontakt. Allerdings wurde ein Austausch seit über einem Jahr immer wieder verschoben. Ob es überhaupt zu einer Befassung der Koalition kommt, bezweifle ich mittlerweile. Man hat wohl andere Sorgen.

  • Fachbeitrag bei DVfR Reha-Recht

    Dieser Beitrag befasst sich auch intensiv mit dem Thema Abstimmung und Zusammenarbeit der Leistungsträge: "SGB-II-Leistungsberechtigte mit Behinderungen – Teil I bis Teil III: Defizite bei der Erkennung und Feststellung von Rehabilitationsbedarfen"


    Im Internet hier: https://www.reha-recht.de/fach…/artikel/beitrag-a8-2022/


    Zitat: "Offensichtlich ist hier die Politik bzw. das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefordert, für

    eine Weisungslage zu sorgen, die die Bedarfserkennung fördert und nicht ihre Möglichkeiten einschränkt. Auch in weniger komplexen bzw. auf den ersten Blick weniger komplex erscheinenden Fällen muss daher zumindest ein Mindestmaß an Teilhabeplanung erfolgen. Ohne den damit verbundenen Informationsaustausch würde sonst die oder

    der Betroffene – wie im oben zitierten Bericht der Internen Revision geschildert – zwar ggfs. als Rehabilitationsfall

    eingestuft, die Entwicklung aber nicht mehr systematisch weiterverfolgt."

  • Ich würde Herrn Becker zustimmen, eine übergreifende Beratung wäre wünschenswert, ist meiner Ansicht nach kaum anzutreffen.


    Ich spreche aus der Perspektive einer fachfremden Person, da ich vom Hintergrund her aus der Landwirtschaft komme.

    Seit einem Jahr ist die Soziale Landwirtschaft mein Arbeitsfeld. Häufig bin ich dabei gefrustet. Ein übersichtliche, verständliche, bürokratiearme Unterstützungslandschaft konnte ich bisher nirgendwo ausfindig machen.

  • "Ein übersichtliche, verständliche, bürokratiearme Unterstützungslandschaft konnte ich bisher nirgendwo ausfindig machen."

    Nein, die gibt es auch nicht. Isso.

    Ich könnten mir vorstellen, dass Sie als Arbeitgeberin zB mit einem inklusiven ökologischen Jahr "anfangen" könnten. Dabei, so meine Erfahrung, lernt man eine Menge, man lernt auch die Akteure und das System kennen, um dann ggf. daraus auch geförderte Dauerrbeitsplätze auf dem 1. Arbeitsmarkt zu gerieren. Nur so als Idee... Gerne dazu nach Ende der Diskussion auch mehr.

  • Ergänzend zum Beitrag der Kollegin Ehrhardt würde ich vorschlagen, mit dem örtlichen Integrationsfachdienst IFD Kontakt aufzunehmen. Wenn Betriebe an der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung Interesse haben, kann der IFD - wenn nicht sofort, dann recht sicher mittelfristig - einem Betrieb Menschen zur Beschäftigung vorschlagen. Viele IFD sind nicht nur in der Vermittlung Arbeitsloser aktiv sondern auch in der Vermittlung von Schulabgehenden in Arbeit oder von Werkstatt-Beschäftigten in betriebliche Beschäftigung. Zudem kann man sich als Betrieb mit Beschäftigungs-Interesse meist beim örtlichen IFD recht gut und unbürokratisch über die Möglichkeiten vor Ort informieren. Weitere Info z.B.: https://www.bih.de/integration…n/integrationsfachdienst/