An welcher Stelle kommen Lots*innen an die Grenzen der erwünschten Unterstützung? Welche Hindernisse kommen auf die zu beratenden Menschen zu?

  • Beim Lesen der Beiträge ist mir bewusst geworden, wie umfangreich und spezifiziert das gesamte Unterstützungsangebot für Menschen mit (drohender) Behinderung ist. Im Vergleich mit vielen anderen Ländern sind wir damit schon mal ganz weit vorne. Das möchte ich an dieser Stelle gerne sehr positiv hervorheben.

    Das sollte uns natürlich nicht daran hindern, die Angebote und ihre Zugänglichkeit zu verbessern.

    Alleine das Angebot im Blick zu haben ist meines Erachtens als Herausforderung nicht zu unterschätzen.

    In meiner Arbeit sehe ich das Problem in der Wegbereitung. Oft komme ich an Grenzen, wenn Bedingungen auftauchen, die vorher nicht ganz klar definiert waren, z.B. zusätzliche Berichte, Gutachten oder Facharztbefunde vorzulegen.

    Das Thema Wartezeiten, welches damit verbunden ist, halte ich für einen desaströsen Zustand, den ich als Beratende und auch als Betroffene erleben darf.

    Wie geht es Ihnen damit?

    Was sind die Hindernisse, die einer Umsetzung der Beratungsleistung im Weg stehen?

    Wie sehen Ihre Lösungen aus?

  • Tatsächlich sprechen Sie mit dem Überblick einen wichtigen Punkt an. Außerdem erschweren Bearbeitungs- und Beschaffungszeiten - sei es für einen spezifischen Arbeitsstuhl- zeitnahe Integration. Interessant wäre zudem die Zahl bisherigen vorhandener Lotsen?

    Allgemeiner Behindertenverband in Deutschland ABiD e.V.

  • Die Wartezeiten sind ein Problem. Wenn man in diesem System ganzheitlich beraten und unterstützen will, ist man auch als Leistungsträger von Anderen und den vorgegebenen Strukturen abhängig. So zum Beispiel von Fachärzten, die durch unseren Fachdienst mit entsprechender Schweigepflichtentbindung aufgefordert werden relevante fachärztliche Unterlagen einzureichen, damit individuelle Bedarfe ermittelt werden können und sozialmedizinische Gutachten erstellt werden können. Manchmal dauert das sehr lange und manchmal kommen hier auch nach mehrmaligen Nachfragen keine Rückmeldungen. Wir bitten die Antragssteller/innen daher Kopien von aktuellen Befundunterlagen und fachärztliche Stellungnahmen möglichst schon mit den Unterlagen für unseren Fachdienst direkt einzureichen, um diese Wartezeiten zu verkürzen.


    Wenn es zu Wartezeiten kommt, ist dann außerdem wichtig Transparenz zu schaffen und die Menschen entsprechend zu informieren und auf dem Laufenden zu halten, wie der Stand im Prozess gerade ist und zu erklären, wie die Prozesse laufen und warum es länger dauert.

  • Wir haben in den Betrieben und Dienststelle sehr gute Lotsen und Lotsinnen - nämlich die Schwerbehindertenvertretungen. Auch wenn sie fachlich sehr gut aufgestellt sind, gute Netzwerke haben und dem Arbeitgeber und auch den Menschen mit Einschränkungen unterstützend und auch oft selbst handelnd zur Seite stehen, ist unser System der Rehaträger viel zu schwerfällig. Die unendlich komplizierten Wege, Anträge die oft nicht barrierefrei sind, unendlich und unerträglich lange Bearbeitungszeiten erschweren oft die zügige Unterstützung enorm. Das schreckt auch Arbeitgeber ab, so dass sie sich lieber für eine Nichtbeschäftigung von Menschen mit Behinderungen entscheiden. Wenn der Rehaträger Rentenversicherung oder Agentur für Arbeit 10 Monate und mehr für die Bearbeitung eines Antrags auf Ausstattung eines Blindenarbeitsplatzes beispielsweise benötigen, ist das nicht mehr hinnehmbar. Und auch bei anderen Hilfsmittel ist es leider nicht anders. Da hilft die Regelung, dass sie innerhalb von zwei Wochen entscheiden müssen, ob sie zuständig sind, auch nicht weiter. Es geht deswegen trotzdem nicht zügig weiter. Nicht fehlende Lots*innen sind das Problem, sondern die oftmals vorliegende Untätigkeit der Rehaträger. Die einzige Institution die verlässlich ist, sind die Inklusionsämter. Die helfen schnell, damit die Menschen nämlich nicht ihre Beschäftigung verlieren. Um dieses Problem zu lösen, bedarf es einer Regelung, dass Anträge nur an das Inklusionsamt gestellt werden, diese in Vorleistung gehen können und sich dann das Geld vom zuständigen Träger wieder zurückholen. Damit sollte dann der Betroffene nichts mehr zu tun haben müssen. Eine einheitliche Ansprechstelle auch für Betroffene, nicht nur für Arbeitgeber - dann sind wir auf einem guten Weg.