Welche Hürden bestehen denn für den Arbeitgeber und den Ausbildungsbetrieb, welche für Berufsschulen?
Welche Hürden bestehen für die inklusive Ausbildung?
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Eine zentrale Hürde zwischen Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und dem sog. ersten Arbeitsmarkt ist die strikte gesetzliche Trennung im SGB. Es gibt kaum Möglichkeiten, flexible Übergänge zu schaffen. Entweder hier oder dort. Insbesondere Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen/kognitiven Einschränkungen oder psychischen Behinderungen benötigen mehr Zeit und mehr Unterstützungen - oft ein Leben lang. Aber auch sie können sich dann Stück für Stück entwickeln. Wir benötigen (Teil-)Qualifikationen, die adäquat anerkannt sind und die Arbeitgebenden klar zeigen, was die Person kann, und wir benötigen pädagogische Assistenz.
Zur Ehrlichkeit gehört, dass nur ein Teil des Personenkreises das Ziel erster Arbeitsmarkt erreichen kann und ihnen Risiken drohen. Für diese Menschen mit Behinderungen besteht immer das Risko der prekären Beschäftigung und der späteren Altersarmut. Darin darf keine Ausbildung münden - für niemanden.
Aber auch die, die nicht voll und ganz oder durchgängig auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig sind, können durch abgestufte Ausbildungen Anerkennungen finden und durch adäquate Arbeitsplätze in Werkstätten, auf ausgelagerten Arbeitsplätzen oder in Integrationsbetrieben Teilhabe durch Arbeit realisieren.
Werkstätten, Ausbildungsbetriebe, Berufsschulen sollten miteinander kooperieren. In der Eingliederungshilfe befindet sich das Knowhow für die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen.
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Inklusion ist die Herstellung der Normalität! Das sollte in besonderer Weise für junge Menschen mit Behinderung in der Phase des Übergangs von der Schule in den Beruf gelten. Bei Arbeitgebern wird allerdings ihr Leistungspotenzial häufig unterschätzt. Nicht bedacht wird oft, dass sie ebenso wie Jugendliche ohne Behinderung eine betriebliche Ausbildung absolvieren können, wenn sie die passenden Rahmenbedingungen am Ausbildungsplatz vorfinden.
Um ein deutliches Signal zu setzen, wie viele Möglichkeiten die gemeinsame Ausbildung von Jugendlichen mit und ohne Behinderung bietet, und andere Arbeitgeber zur Nachahmung anzuregen, hat das UnternehmensForum e.V. (UF) das Inklusionsprojekt !nkA initiiert. Das UF hat in Zusammenarbeit mit Schulen, Unternehmen, Behörden und anderen Partnern das Inklusionsprojekt „Inklusive Ausbildung von Jugendlichen mit und ohne Behinderung“ (!nkA) gestartet, in dem in den Jahren 2013, 2014 und 2015 bundesweit insgesamt 40 zusätzliche schwerbehinderte Auszubildende in verschiedenen Berufen eingestellt werden, die gemeinsam mit nicht behinderten Auszubildenden ihre Ausbildung absolvieren.
Mit der betrieblichen Ausbildung sollen Brücken in eine anschließende Beschäftigung der jungen Menschen mit Behinderung gebaut werden. Allerdings haben viele Unternehmen im Vorfeld des Projekts erlebt, dass es schwierig war, Jugendlichen mit Behinderung tatsächlich einen Ausbildungsplatz anzubieten, da nur wenige Jugendliche bereit waren, ihre Behinderung in der Bewerbung anzugeben. Ebenso haben die Ausbildungsbetriebe von ihrer Erfahrung berichtet, dass mit der Ausbildung behinderter Jugendlicher ein hoher administrativer Aufwand, z. B. bedingt durch verschiedene Ansprechpartner bei Rehabilitationsträgern oder sogar durch fehlende Partner bei verschiedenen Problemlösungen in der Ausbildung, verbunden ist.
Mit barrierefreien, individuell angepassten Ausbildungsstrukturen wird das Ziel der Inklusion in der Laufzeit des Projekts von 2013 bis 2019 verfolgt. Neben den fachlichen Schlüsselkompetenzen ist die Vermittlung und Stärkung der Sozialkompetenz ein wesentlicher Bestandteil des Ausbildungskonzeptes. Gleichzeitig wird durch die Teilnahme der Auszubildenden am Betriebsschulunterricht und den Kontakt zu Auszubildenden in anderen Betrieben der Ansatz auch in andere gesellschaftliche Bereiche getragen.
Die Einbindung vieler Unternehmen in das Inklusionsprojekt zur gemeinsamen Ausbildung von Jugendlichen mit und ohne Behinderung ist wichtig. Viele Betriebe können sich offensichtlich gar nicht vorstellen, behinderte Auszubildende – schon gar mit Hilfebedarf – einzustellen. Die Instrumente der Arbeitsassistenz oder die Bereitstellung technischer Hilfen, mit denen Defizite kompensiert werden können, erscheinen auch heute noch vielfach unbekannt. Daher ist es sinnvoll, die Ausbildung durch Wissenstransfer, z. B. durch den Austausch von Auszubildenden mit und ohne Behinderungen in einem Netzwerk auszubauen.
Neben der personenbezogenen Weiterbildung werden die Menschen als „Botschafter für ihre Kompetenz“ für andere behinderte Menschen und für nichtbehinderte Menschen tätig.Das Projekt !nkA soll dazu beitragen,
- bestehende Barrieren für die unterschiedlichen Akteure zu identifizieren und abzubauen.
- Jugendliche mit Behinderung werden bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz unterstützt.
- Für die Ausbildungsbetriebe soll !nkA zu einer Verbesserung des Rekrutierungs- und Ausbildungsprozesses gerade im Hinblick auf behinderte Bewerber führen.
- Arbeitsagenturen und anderen Rehabilitationsträgern wird der Mehrwert einer Verminderung der Bürokratie und einer Verbesserung der Vermittlung offenbar. Letztlich soll aber auch die Frage untersucht werden, ob und inwieweit die inklusive Ausbildung einen Mehrwert bietet.
- Nicht zuletzt ist allen Beteiligten das Ziel der Professionalisierung der Akteure der Berufsausbildung (Arbeitgeber, Berufsschulen, Ausbildungsverbünde, Kammern) ein wichtiges Anliegen.
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Glaubt man dem BIBB-Expertenmonitor "Inklusive Berufsausbildung", dann hat sich in den Köpfen auf der Ebene der Einstellungen bereits einiges verändert. Was es heute vorallem braucht, sind wirksame und kontinuierliche Formen der Kooperation zwischen allen Ausbildungsbeteiligten und die dazu gehörigen Strukturen
(siehe: www.bibb.de/dokumente/pdf/bericht_expertenmonitor_2013.pdf).Neben diesen strukturellen Aspekten wird m.E. künftig ein weiterer Perspektivwechsel immer bedeutsamer werden: weg von pauschalierten Leistungen (in Form von Maßnahmen) hin zu flexiblen Einzelfall-Leistungen, die sich stärker am individuellen Bedarf der Person ausrichten.
Rainer Lentz
Bundesarbeitsgemeinschaftder Berufsbildungswerke e.V., Berlin
www.bagbbw.de -
Auch die Spitzenverbände der Wirtschaft nehmen sich der Thematik Inklusion in Unternehmen an, BDA, DIHK und ZDH haben dazu die gemeinsame Plattform „Inklusion gelingt“ geschaffen. Auch Fragen zur inklusiven Ausbildung werden behandelt. Die Internetplattform www.inklusion-gelingt.de informiert und unterstützt Betriebe, damit diese die Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung erfolgreich gestalten können. Die Website umfasst unter Einbeziehung bestehender Informationsangebote für die Unternehmen Handlungsempfehlungen, eine Übersicht der Förderinstrumente, zahlreiche Kontaktadressen wichtiger Dienstleister und Behörden sowie verschiedener Publikationen. Anhand von Praxisbeispielen wird deutlich gemacht, wie die Inklusion von Menschen mit Behinderung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erfolgreich gelingen kann. Der Informationsbedarf von Unternehmen ist immer noch sehr groß. Sie brauchen Ansprechpartner, welche die speziellen Fragestellungen der Unternehmen und Personalentscheider aufgreifen können.