Hallo Frau Ehrhardt,
natüröich muss niemand während einer Bedarfsermittlung sein ganzen Leben offenlegen und ich weise immer daraufhin, dass wenn Fragen zu persönlich sein sollten, diese nicht beantwortet werden müssen. Manche Punkte thematisiere ich ggf. auch gar nicht im Gespräch, weil ich es unpassend finde, eine Person mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung, deren Ursache anhand der mir vorliegenden Unterlagen bekannt und unbestreitbar ist, dahingehend anzusprechen wie es war, als er/sie die Mutter nach dem Suizid gefunden hat oder als der Vater... Das benenne ich ggf. kurz in meiner Ausarbeitung, ansonsten geht es mir aber nicht um eine Aufarbeitung oder sonstwas, sondern um den Bedarf den die Person hat (wenn ich den Eindruck habe, dass eine Therapie sinnvoll/unterstützend wäre, spreche ich dies schon an, aber frage eher offen: Nach dem was sie erlebt haben, wie kommen sie damit zurecht? Hatten sie mal eine Therapie, um das zu verarbeiten?...oftmals ist dies bereits bekannt und dann spare ich mir auch das).
Wir machen die Bedarfsermittlung in der Regel im häuslichen Umfeld, da bekommt man manchmal Einblicke, die den Horizont weiten - wenn ich etwa 5min von der Wohnungtür ins Wohnzimmer brauche und ich dann auch nicht erahnen kann, wo ich mich hinsetzen könnte, dann rege ich natürlich auch bei einer Hochschulhilfe eine Unterstützung im häuslichen Umfeld an, gerade wenn die letzten 3 Semester kein Schein erworben wurde, dafür aber inhaltlich raumfüllend mit anderen Dingen in der Wohnung verteilt sind... Da geht es mir nicht darum zusätzliche Bedarfe zu erkennen und aufzuschwatzen, sondern darum, dass der Bedarf nur durch weitere Maßnahmen gedeckt werden kann; ferner neige auch ich tendenziell eher Richtung Homöostase, jeder weitere Bedarfe bedeutlich zusätzliche Arbeit und Arbeit habe ich gefühlt genug...
Meine Rolle verwirrt sie? Naja, ich bn weit davon entfernt die derzeitige Gesetzeslage als inklusiven Goldstandard anzusehen und die jeweiligen Regelungen bei den Leistungsträgern sind noch weiter davon entfernt. Andererseits war ich lange genug auf der "anderen Seite der Macht", also bei Leistungserbringern, um zu wissen, dass die ihre Aufgabe vorrangig auch nur über ein "Dagegensein" und es geht ihnen so schlecht, weil der böse Leistungsträger, etc.pp. definieren.... Die Mitarbeiter sind überlastet durch Überstunden und Arbeitsverdichtung, mangelnde Weiterqualifizierungsangebote (Wo lernt man etwa Wohngruppenbetreuer? Das ist ein Wissenstransfer in der Praxis, der sicherlich nahe an die 7 Lehrjahre vergangener Epochen anschließt!), vollkommen fehlgeleitetes Führungshandeln (Ich war mal bei einem Träger, der seine Zukunftspläne hinsichtlich Regionalisierung den Mitarbeitern vorstellte mit dem Aussage: Wir würden da ja mutiger vorangehen, aber die Mitarbeiterschaft wird dagegen sein, weil sie den Status quo erhalten wollen - selbiger war ne 6-Tage Woche, regelmäßige Einzeldienste mit teilweise 12-15 schwerstbeeinträchtigten Personen, Teams mit teilweise deutlich mehr als tausend Überstunden, die Protokolle aus den Leitungsrunden waren unter Verschluss, etc. Das Schönste war, dass dieser Vorstand in dieser Besetzung schon 15 Jahre im Amt war...so geht Wertschätzung und Alle ins Boot holen? Wolfgang Jantzen hat es vor über 40 Jahren mal so schön formuliert: Ein unmündiger, unterdrückter Mitarbeiter kann keinen Menschen zur Mündigkeit führen!).