Zunehmend mehr Menschen mit Behinderung wünschen sich einen inklusiven Beschäftigungsweg. Um diesen Menschen eine tragfähige Vielfalt und Auswahl an Beschäftigungsmöglichkeiten bieten zu können, sollten wir möglichst viele Unternehmen darin unterstützen, inklusive Qualifizierungs- und Beschäftigungsräume in ihren Unternehmen zu entwickeln und nachhaltig zu etablieren.
Für erfolgreiche inklusive Beschäftigungswege sind motivierte, an Inklusion interessierte Unternehmen unerlässlich. Diese gilt es zu unterstützen.
Allerdings haben mir meine Erfahrungen gezeigt: Es liegt nicht allein an einer fehlenden Motivation von Arbeitgebern, warum Menschen mit Behinderung immer noch zu selten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß fassen. Stattdessen gibt es viele weitere strukturelle Barrieren, die eine erfolgreiche Teilnahme am Arbeitsleben verhindern.
Solche Barrieren beginnen bereits in der Schule, zum Beispiel im Rahmen der schulischen Berufsorientierung:
Hauptziel der schulischen Berufsorientierung ist es, dass junge Menschen, die kein Abitur anstreben, nach der Schule möglichst nahtlos in eine Ausbildung wechseln. Allerdings gilt dieses Ziel meist nicht für junge Menschen mit Behinderung, selbst wenn sie inklusiv beschult werden. Junge Menschen mit Behinderung werden am Ende ihrer Schulzeit fast immer als noch nicht ausbildungsreif angesehen und in Maßnahmen des sogenannten Übergangsbereichs vermittelt. Darüber sollen ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz verbessert werden. Doch die Realität sieht anders aus. Studien haben inzwischen gezeigt: Je länger junge Menschen mit Behinderung im Übergangsbereich verbleiben, umso schlechter werden ihre Chancen auf eine erfolgreiche Ausbildung und eine anschließende Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. (Endstation Übergangsbereich – Wie läuft es mit der Inklusion in Hamburg (inklusion-in-hamburg.de))
Eine weitere Barriere liegt in den nach wie vor fehlenden individualisierten Ausbildungsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt:
Besonders junge Menschen mit kognitiven Einschränkungen schaffen häufig keine Vollausbildung. Zwar gibt es für sie die Möglichkeit einer theoriereduzierten Ausbildung. Allerdings finden theoriereduzierte Ausbildungen bislang fast ausschließlich überbetrieblich und teils in eigenen, exklusiven Berufsschulen statt. Zudem ist das Spektrum an theoriereduzierten Ausbildungen eher gering, so dass von einer freien Berufswahl kaum gesprochen werden kann. (Inklusive Ausbildung – verzweifelt gesucht – Wie läuft es mit der Inklusion in Hamburg (inklusion-in-hamburg.de))
Auch die Strukturen der Agentur für Arbeit verhindern erfolgreiche inklusive Berufswege:
Junge Menschen ohne Behinderung werden beim Übergang von der Schule in die Arbeitswelt sehr erfolgreich durch Jugendberufsagenturen begleitet und unterstützt. Die Berater der Jugendberufsagenturen handeln auf und für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie sind eng mit Unternehmen und Kammern vernetzt, um Schulabgänger möglichst nahtlos in eine duale Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln.
Für junge Menschen mit Behinderung ist dagegen die Reha-Abteilung der Agentur für Arbeit zuständig. Die Berater der Reha-Abteilung bewegen sich sehr oft in Sonderwelten: Sie sind für die Berufsorientierung in Förderschulen zuständig. Und sie vermitteln in den Berufsbildungsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen oder in andere, speziell für behinderte Menschen gedachte Qualifizierungsmaßnahmen. Hinzu kommt, dass die Berater in der Reha-Abteilung überwiegend mit behinderten oder langzeiterkrankten Menschen zu tun haben, die bereits mitten im Berufsleben stehen. Ihnen fehlt es meist an Erfahrung und Kontakten, was die Unterstützung und Vermittlung von jungen Menschen mit Behinderung in Ausbildungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angeht.
Solche strukturellen Barrieren sind nicht zu unterschätzen. Sie müssen erkannt und durch ein konsequentes politisches Handeln im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention angegangen werden.